Die Fremde in Afrika und in den Tiroler Bergen
GRAZ / DIAGONALE / PREISTRÄGERFILME
01/04/25 Im Bürgerkriegsland Somalia spielt die Handlung des Preisträger-Spielfilms der diesjährigen Diagonale, The Village Next to Paradise von dem somalisch-österreichischen Regisseur Mo Harawe. Zum besten Dokumentarfilm wurde Bürglkopf von Lisa Polster gekürt.
„Der Blick auf die pittoreske Berglandschaft Tirols verändert und verfremdet sich mit jeder Einstellung, mit jedem Schnitt“, befand die Jury über die Doku Bürglkopf. Auf diesem Berg bei Fieberbrunn warten in 1.300 Metern Seehöhe Flüchtlinge auf den Ausgang ihrer Asylverfahren. „Die Verweigerung der Drehgenehmigung bedingt die künstlerische Form“, so die Jury. Denn die Filmemacherin Lisa Polster hat sich damit nicht abgefunden und ist trotzdem auf den Berg gegangen. Es gelang ihr die Kontaktaufnahme mit einigen Männern vom Rückkehrzentrum Bürglkopf.
„Die offene Bildgestaltung setzt die Gespräche der Männer – die unter anderem aus Syrien, dem Irak, dem Sudan kommen – ins Verhältnis zum Hintergrund der alpinen Landschaft und darin den Fremdenverkehr und wiederum ins kommentierende Verhältnis der lokalen Bevölkerung. Diese profitiert auch davon und heuert nach Bedarf billige Arbeitskräfte an.“ So entstehe nach und nach „ein Perspektivwechsel, ein komplexes Bild von österreichischer und europäischer Migrationspolitik, von Alltagsrassismus“.
Die Regisseurin Lisa Polster und ihre Kamerafrau Jasmin Schwendinger „verschieben grundlegend den Begriff der schönen Aussicht“, urteilte die Jury. Auch die Jugendjury hat sich für diese Doku entschieden und sie zum besten Nachwuchsfilm auserkoren. Über den preisgekrönten Spielfilm werden wir noch ausführlich berichten. Die beiden Diagonale-Hauptpreise sind mit je 15.000 Euro dotiert und damit die bestausgestatteten Filmpreise in Österreich.
Den von der Stadt Graz gestifteten Diagonale-Preis für innovatives Kino (6.000 Euro) gewann Michael Gülzow für Der tote Winkel der Wahrnehmung. Zwei angehende Filmstudentinnen wollen 1996 einen Dokumentarfilm über Verschwörungstheoretiker drehen. Material aus der Zeit und und selbst gefilmte Szenen werden verknüpft, wodurch die Grenze zwischen Fiktionalem und Dokumentarischem verschwimmt und, wie die Jury schreibt, „die Mechanismen von Manipulation und damit auch die Funktionsweise von Verschwörungsmythologien“ sichtbar werden. „Gerade heute, in einer Zeit, in der Fake News einen prägenden Einfluss haben und sowohl politisch als auch ideologisch genutzt werden, ist diese Thematik drängender denn je.
In einer wirkungsvollen Glitch-Ästhetik und ohne Klischees zu bemühen, entwickelt Gülzow eine dichte Darstellung dessen, was von Aluhüten, Echsenmenschen und Mottenmännern zu erwarten wäre.“
Night of Passage von Reza Rasouli bekam den Diagonale-Preis für den Besten Kurzspielfilm. Drei Flüchtlinge. „Von der ersten Sekunde an sind wir ganz nah bei ihnen – wir spüren die Enge des LKWs, den Moment der Panik beim Sprung ins Ungewisse und das atemlose Rennen durch den Wald. Ein vermeintlich harmloser Einkauf an einer Tankstelle wird zur lebensbedrohlichen Mutprobe.“
Schauspielpreise gingen an Florentina Holzinger (für ihre Rolle in Mond von Kurdwin Ayub) und an Marie-Luise Stockinger (in Gina von Ulrike Kofler). (Diagonale/dpk-krie)