1925 bis 2025 – Ein Jahrhundert in Bildern

HINTERGRUND / NATIONALBIBLIOTHEK

28/03/25 Heuer jähren sich das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung vom Nationalsozialismus vor 80 Jahren, die Unterzeichnung des Staatsvertrags vor 70 und der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union vor 30 Jahren: Eine „emotionale Zeitreise durch die österreichische Geschichte“ ist die Ausstellung Ein Jahrhundert in Bildern. Österreich 1925–2025 im Prunksaal der Nationalbibliothek.

„Fotografien herausragender österreichischer Künstlerinnen machen das Lebensgefühl der Menschen sowie die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche in bewegten Jahrzehnten greifbar“, so die Nationalbibliothek. Ergänzt wird die „Jahrhundertschau“ durch Plakate, Zeitungen, Zeitschriften und Einblicke in 70 Jahre Fernsehgeschichte Österreichs in Kooperation mit dem Archiv des ORF. Die Ausstellung ist in Dekaden gegliedert. Der Schwerpunkt liegt auf den visuellen Medien. Das Begleitbuch zur Ausstellung von Hans Petschar und Michaela Pfundner erklärt die historischen Hintergründe zu den ikonischen Bildern der österreichischen Zeitgeschichte und bietet viele zusätzliche Einblicke in die Bildbestände der NB.

Die Schau beginnt im Jahr 1925. In Österreich endeten drei schmerzvolle Jahre der Hyperinflation dank einer Anleihe des Völkerbundes. Ein eindrucksvolles Wahlplakat von Siegfried Weyr visualisiert die Errungenschaften des „Roten Wien“ in den 20er Jahren. Fotos aus dem Atelier der Madame d’Ora-Benda, Plakate und Zeitschriften vermitteln „stimmungsvoll das neue Lebensgefühl der 20er Jahre“. D’Ora-Benda dokumentierte den Auftritt der populären Jackson Girls in Wien und porträtierte Liesl Goldarbeiter mit Bubi-Kopf nach ihrer Wahl zur Miss Austria 1929. Sie wurde als bisher einzige Österreicherin zur „Miss Universe“ in den USA gekürt.

Albert Hilscher und Lothar Rübelt, die berühmtesten Pressefotografen der Zwischenkriegszeit, dokumentierten ebenso wie viele anonym gebliebene Dokumentarfotografen den Weg Österreichs in die Diktatur: „Lothar Rübelts Foto am Tag des Justizpalastbrands am 15. Juli 1927 ist an Dynamik nicht zu überbieten.“ Ein anonymer Fotograf hielt darüber hinaus fest, wie ein Sicherheits-Wachebeamter mit gezogenem Säbel gegen die Demonstrierenden vorging.

Am 4. März 1933 nutzte Bundeskanzler Engelbert Dollfuß die Geschäftsordnungskrise des Parlaments, um die parlamentarische Demokratie zu beenden und Österreich sukzessive in die Diktatur zu führen. Auf einem Glasnegativ ist diese verhängnisvolle Sitzung des Nationalrats festgehalten. Albert Hilscher fing nicht nur das Elend und die Kinderarmut nach der Weltwirtschaftskrise ein, sondern auch die Februarkämpfe 1934 und die Ermordung von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß durch nationalsozialistische Putschisten.

Weiter geht es mit den Jahren 1935–1944 und dem Kapitel Zwei Diktaturen. Faschismus, Nationalsozialismus, Krieg und Terror. „Mit der Implementierung der ständischen Verfassung im Mai 1934 hatte Dollfuß die letzten Schritte zur Beendigung der Demokratie in Österreich gesetzt. Sein Nachfolger Kurt Schuschnigg führte den autoritären Kurs fort und unternahm bis zum bitteren Ende im März 1938 keinerlei Anstalten, zur Demokratie zurückzukehren.“

In der Ausstellung werden die Bildinszenierungen und die Propagandamaßnahmen der Diktatur unter Bundeskanzler Schuschnigg umfassend gezeigt.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Propaganda war die Gleichschaltung der Medien. Zu den wichtigsten Propagandablättern zählten die „Österreichische Woche“ und Plakate der „Vaterländischen Front“, die ebenfalls ausgestellt werden. Das Kruckenkreuz – von Ignaz Seipel 1926 erstmals verwendet – wurde als Gegenbild zum beherrschenden Symbol des Nationalsozialismus entworfen. Eine Fotografie zeigt den Appell der Vaterländischen Front auf der Schmelz am 18. Oktober 1936 in Wien mit dem Kruckenkreuz im Zentrum über einem Altar für eine Feldmesse.

Das Finale für die Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur kam im März 1938. Am 11. März 1938 um 15.30 Uhr trat der österreichische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg zurück. In einem nationalsozialistischen Propagandafoto zeigen sich Arthur Seyß-Inquart und sein Kabinett mit Hitlergruß auf dem Balkon des Bundeskanzleramts.

„Demütigungen, Verhaftungen, Arisierungen und Vermögensraub gehörten ab dem 12. März 1938 zum Alltag der jüdischen Bevölkerung.“ Ein anonymer Fotograf dokumentierte die Entwürdigung der Jüdinnen und Juden in Wien. „Was folgte, war die Etablierung eines Regimes der Angst begleitet und umnebelt von einer ungeheuren Propagandamaschinerie.“ Die Gedenkfeier zum nationalsozialistischen Juliputsch 1934 am 25. Juli 1938 in Klagenfurt zeigtdie pompösen Aufbauten mit Hakenkreuz, Fahnenschmuck und riesigem Reichsadler. Im Bildvordergrund marschiert die Hitlerjugend auf.

Nur wenige haben nicht gejubelt. Eine Gegenstimme zur NS-Propaganda zwischen 1938 und 1945 bildete die österreichische Exilpresse im Ausland. Die Österreichische Nationalbibliothek hat auf ihrem Zeitungsportal ANNO eine Auswahl von 30 Exilzeitungen veröffentlicht. In der Ausstellung werden Originalausgaben der „Austrian Labor Information“ präsentiert. Diese brachte am 20. April 1942, zu Hitlers 53. Geburtstag, ihre erste Nummer mit dem Titel „Anti-Hitler-Magazine“ heraus.

1945 lag Österreich am Boden. „Die internationale Hilfe und vor allem die Hilfe der Amerikaner und der Marshallplan trugen wesentlich dazu bei, dass sich die österreichische Wirtschaft wieder erholte und die Österreicher die hohen Besatzungskosten und die sowjetischen Reparationszahlungen finanzieren konnten.“ Nach 1947 förderten der Marshallplan und der voll entfachte Kalte Krieg die Westorientierung Österreichs. „Die Ausstellung erinnert in ausdrucksstarken Bildern an den politischen Neubeginn Österreichs, das Entstehen der demokratischen Presse, den Wiederaufbau und an die Besatzungszeit. Fotos des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders der 1950er Jahre zeigen eine Nation im Aufbruch.“

Der Wiener Fotograf Wilhelm Obransky hält den politischen Neubeginn Österreichs in einer ikonischen Szene fest: Am 29. April 1945 schreiten Karl Renner, der Wiener Bürgermeister Theodor Körner und die Mitglieder der provisorischen österreichischen Regierung, umringt von einer Menschenmenge, über den Ring und den Rathausplatz zum Parlament.

Ein ebenso wichtiges Foto von Obransky zeigt im August 1945 den ersten Volksgerichtsprozess im Wiener Landesgericht mit vier Kriegsverbrechern auf der Anklagebank. Originalausgaben der ersten österreichischen Zeitungen und der alliierten Besatzungszeitungen und Fotos der Nationalratswahl 1949 vervollständigen das Bild dieser Epoche. Ergänzt werden sie durch die Fotografien des amerikanischen Informationsdienstes in Österreich, die den Wiederaufbau Österreichs während der Marschallplanjahre dokumentieren.

Die akribische „Erzählung“ der Nachkriegsgeschichte Österreichs geht in der Schau weiter mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai 1955. Bereits 1956 folgte mit der Revolution in Ungarn eine Bewährungsprobe für das neue Österreichisch. Ein medialer Höhepunkt war das Gipfeltreffen zwischen US-Präsident John F. Kennedy und dem sowjetischen Premier Nikita Chruschtschow 1961 in Wien. Wirtschaftswunder der 50er und die Popkultur der 60er Jahre, die gesellschaftlichen Umbrüche der Jahre 1965–1974 , der Sieg der SPO mit Bruno Kreisky bei den Nationalratswahlen 1975, die Ernennung von Johanna Dohnal zur ersten „Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen 1979, Volksabstimmung über Zwentendorf 1978 oder Besetzung der Hainburger Au 1984 sind weitere Meilensteine.

Der Zerfall des Ostblocks ab 1989 und der EU-Beitritt 1995 werden in mittlerweile berühmten Bildern sichtbar gemacht. Die zunehmende Polarisierung der 90er Jahre spiegele sich in Fotografien und Plakaten: „Wir Österreicher wählen, wen WIR wollen! Jetzt erst recht WALDHEIM“ plakatiert die ÖVP 1986. Walter Wobrazek fotografiert ein antisemitisch beschmiertes Wahlplakat im Bundespräsidentschaftswahlkampf 1986. „Das neue Jahrtausend brachte kontroverse Entwicklungen wie die ÖVP-FPÖ-Koalition im Jahr 2000, die darauffolgenden EU-weiten Sanktionen und die Proteste gegen die schwarz-blaue Regierung – alles in eindrucksvollen Bilddokumenten für die Besucherinnen nachvollziehbar“, so die Austellungsmacher.

„APA-Fotograf Harald Schneider dokumentiert am 3. Februar 2000 die versteinerte Miene des damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil, der die beiden Parteiobmänner Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Jörg Haider (FPÖ) einen Tag vor der Angelobung der schwarz-blauen Regierung in der Präsidentschaftskanzlei empfängt.“

Anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung des Staatsvertrages wurde im Mai 2005 im Marmorsaal des Oberen Belvedere die Ausstellung „Das neue Österreich“ eröffnet. Die österreichische Presse- und Modefotografin Margret Wenzel-Jelinek fand eine außergewöhnliche Perspektive und verband den historischen Raum der Unterzeichnung mit den historischen Erinnerungsbildern der berühmten Balkonszene und der jubelnden Menschenmenge im Garten des Belvedere, die auf einem Transparent groß in Szene gesetzt wurden.
Der Wiener Life Ball fand im Mai 2015 bereits zum 16. Mal statt. APA-Fotograf Hans Punz fotografierte das Spektakel, „das einmal mehr ein starkes Zeichen für Toleranz und Solidarität setzte“. Die Flüchtlingskrise von 2015 und Österreichs Rolle als Transit- und Aufnahmeland wird anhand von Fotos der APA-Fotografen Herbert Pfarrhofer und Robert Schlager visuell nachvollziehbar.

„Pfarrhofer hält eine Demonstration der Plattform „Mensch sein in Österreich“ fest, während Robert Schlager einen auf dem Pannenstreifen bei Parndorf im Burgenland abgestellten Lastwagen verewigt, in dem 71 Flüchtlinge ums Leben kamen.“ Walter Wobrazek setzte die ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Brigitte Bierlein, ins Bild, die als erste Frau in Österreich das Amt der Bundeskanzlerin in einer interimistischen Expertenregierung von Juni 2019 bis Anfang Jänner 2020 bekleidete.

Eine fast ausgestorbene Innsbrucker Innenstadt während des ersten Corona-Lockdowns am 16. März 2020 zeigt das Foto von Markus Stegmayr. Am 12. Jänner 2023 wurde nach fünfjähriger Bauzeit das historische Parlamentsgebäude am Ring wiedereröffnet. Die Nationalratswahl im Herbst 2024 brachte enorme Zugewinne für die FPÖ, die mit 28,9% und 57 Mandaten erstmals bei Nationalratswahlen stimmenstärkste Partei wurde. Und die Gegenwart: Nachdem am 3. und 4. Jänner 2025 die Gespräche für eine Dreierkoalition, bestehend aus ÖVP, SPÖ und NEOS gescheitert waren, beauftragte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am 6. Jänner FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Regierungsbildung und informierte die Medien und die Öffentlichkeit. Dieser Versuch scheiterte bekanntlich. Zu Beginn des Jahres 2025 sei „die Zuversicht in der Bevölkerung angesichts steigender Arbeitslosigkeit in einer anhaltenden Rezession, angesichts eines schwer defizitären Staatshaushaltes und Budgets und angesichts einer geopolitischen Bedrohungslage, hervorgerufen durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, einer breiten pessimistischen Grundstimmung gewichen“, so die Nationalbibliothek. „Die Zukunft ist offen. Österreich steht am Scheideweg. Mut wird nicht nur die neue Regierung benötigen, um die Herausforderungen der nächsten Jahre zu bewältigen, sondern vor allem die Zivilgesellschaft, um die Grundrechte, die Medienfreiheit und die Werte der liberalen Demokratie zu verteidigen.“ (Österreichische Nationalbibliothek)

www.onb.ac.at
Bilder: Österreichische Nationalbibliothek; F. W. Scheidl; unbekannter Fotograf; Walter Wobrazek; Ernst Kainerstorfer (2) Heinz Stephan Tesarek; Lothar Ruebelt; Margret Wenzel-Jelinek; APA / Robert Jäger; APA / Harald Schneider