Variierte Emotionen

TRAUNSTEINER SOMMERKONZERTE / FAZIL SAY

03/09/10 Dreißig Jahre: Seit Monatsanfang steht Traunstein wieder für eine Woche im Zeichen kammermusikalischer Veranstaltungen. Ein absoluter Höhepunkt war Donnerstag (2. 9.) der erneute Auftritt von Fazil Say im Kulturraum Klosterkirche.

Von Horst Reischenböck

Der türkische Pianist, der heuer bei den Salzburger Festspielen zwei Mozart-Konzerte spielte und bei der Mozartwoche 2011 erneut hier auftreten wird, gedachte eigentlich, dem markanten Schwerpunkt des diesjährigen Geschehens, Jahrespatron Robert Schumann, huldigen zu wollen. Krankheitsbedingt war ihm eine entsprechende Vorbereitung jedoch nicht möglich, sodass er das Programm ändern musste.

So widmete er sich vorerst dem nicht nur für seine Entstehungszeit 1793 grandiosen Andante varié Hob. XVII:6 von Joseph Haydn, die von ihm als „Sonate“ bezeichneten f-Moll-Variationen. Sie sind der Ausnahmevirtuosin Barbara von Ployer in ihre Finger komponiert, der auch Mozart Werke zueignete. Phantasievoll ernst vom Trauermarsch ausgehend, leidenschaftlich kraftvoll bis in Vorwegnahme Ludwig van Beethovenscher Dramatik hinein ausgereizt. - Damit schlug Fazil Say Facil Say eine Brücke zu dessen letzter Sonate in c-Moll. Großartig, wie Fazil Say nach dem fulminant genommenem ersten Maestoso-Einstieg die Blöcke des zerklüfteten Allegro des Zweisätzers auftürmte. Vor allem aber ließ er danach in der Arietta staunen, sich öfters gleichsam selbst dirigierend, in die Exstase hinein singend. Die Veränderungen spiegelten ein so spannendes gedankliches Erleben, so dass das Auditorium nach dem letzten Verklingen vorerst in atemloser Stille verharrte.

„Z ulice - 1.X.1905“ war der ursprüngliche Titel der Sonate „Von der Straße“ von Leoš Janá?ek. Ihre ebenfalls zwei Sätze blieben nur durch Zufall erhalten, weil sie der Uraufführungs-Pianist kopiert hatte. Wollte doch der von Zweifeln geplagte Komponist ursprünglich alle drei Teile vernichten. Weil sie seine Gefühle zu genau spiegelte? Geht es darin doch in „P?educha“, der Ahnung, und anschließend „Smort“ um seine eigene nationale Erregung ob des tragischen Tods eines tschechischen Studenten an der damals deutschen Universität in Brünn. Von unüberhörbar emotionaler Intensität geprägt und, ehe die letzten Takte gleichsam im Nichts verklingen, in einen gewaltigen dynamischen Höhepunkt führend. Dem blieb Say am Steinway nichts schuldig.

Alban Berg, dessen Geburtstag sich heuer zum 125. Mal jährt, brachte Fazil Say mit dem Opus 1 ein phänomenales Präsent lieferte. Ist doch der temporeich nervöse, eindeutig noch in h-Moll stehend eine Sonatenhauptsatz, nach Abschluss der Kontrapunktstudien bei Arnold Schönberg ab Ostern 1907 entstanden, genauso spätromantisch von „Tristan“-chromatischer Trauer geprägt wie die Sonate von Janá?ek.

Zugaben waren keine Frage. Vorerst vollinhaltlich entsprechend attackiert der Einstieg in Beethovens d-Moll-„Sturm“ op. 31/2 und danach Eigenes aus des auch Komponisten Says Feder. Begeisterung ohne Grenzen.

Die Traunsteiner Sommerkonzerte finden noch bis 7. September in der Klosterkirche statt. - www.traunsteiner-sommerkonzerte.de
Bild: www.schott-music.com