Zirkusreif und nachdenklich

MUSIKTAGE MONDSEE / VIRTUOSEN

01/09/16 „Virtuosen“ also am Mittwoch (31.8.) im Schloss Mondsee: Das Programm sollte Fragen zum Phänomen des Virtuosen provozieren. Ob das funktioniert hat? Fest steht, dass Virtuosität Bewunderung erntet – und solche verdienten die beiden Geiger Barnabás Kelemen und Katalin Kokas, der Cellist Nicolas Altstaedt und der Pianist Alexander Lonquich.

Von Christiane Keckeis

Das Programm war eine geschickte Mischung aus Werken, die musikalische Gestaltung und Tiefe einfordern und technischen Bravourstückchen. In die erste Kategorie fallen beispielsweise Bohuslav Martinus „Slowakische Variationen für Violoncello und Klavier“. Sie fordern Gestaltungskraft, geistige Durchdringung und das Feingefühl für Farben und Stimmungen, fordern musikalische Persönlichkeiten und sind bei Nicolas Altstaedt und Alexander Lonquich in den besten Händen.

Auch Dvoraks „Waldesruh“ lebt von der innigen, gar nicht extrovertierten Gestaltung: Bis ins leiseste Pianissimo gehen die beiden Interpreten, perfekt zusammengespielt. Altstaedts Ton wird traumverloren, fast wie jenseitig – das ist schon auch zum Luftanhalten, aber nicht aus einer Sensationserwartung heraus.

Chopins „Ballade f-Moll“ braucht einen hervorragenden Pianisten. Aber das allein tut’s nicht: Technik allein vermag nicht auszudrücken, was Lonquich, ein wunderbar erzählender, in die Tiefe tauchender Gestalter in dem Werk liest. Da ist eine fast depressive Ruhe, aus der unvermittelt ein Aufbäumen wird, um zurückzufallen, bis aus der Starre der Aufruhr ausbricht, die Verzweiflung bis hin zur Zerstörung. Das fesselt, zieht mit, vermittelt Bilder, schafft Verbindung zwischen Zuhörer, Interpret und Werk. - Eine Qualität, die nicht den Applaus publikumswirksamer „zirkusreifer“ Kunststücke herausfordert.

Pablo de Sarasates „Zigeunerweisen“ erfüllen diesen Anspruch: Barnabás Kelemen spielt das ohne Wimpernzucken, in allen Facetten funkelnd, mit Csardas im Blut und saftigem Ton. Mit allen spielerischen Temponuancen ritardiert und acceleriert er, kongenial begleitet von Lonquich. Die Finger sind so flink und die Kraft reicht aus – toll, fraglos. Auch die „Etudes-Capricen“ von Wieniawski für zwei Violinen: Kelemen und seine Partnerin Katalin Kokas haben sichtbar Spaß an dem virtuosen Anspruch. Mit ganzer Expressivität (und manchmal nicht ganz gegebener Balance zwischen erster und zweiter Violine) erfüllen sie ihn. Das ist Spiel und Freude am Ausloten der eigenen Grenzen, die sich aufs Publikum überträgt.

Nicolas Altstaedt hat seinen Auftritt mit Paganinis „Moses-Variationen“, die er keineswegs von der augenzwinkernden Seite, dafür aber in stupenden Tempi nimmt, und mit Rostropowitschs „Humoreske“, bei der das Publikums vor allem gespannt ist, ob die Hand des Cellisten den rasenden Bogen bis zum Schluss halten kann. Und ja: Altstaedt schafft das, mit Bravour. Keine Frage. Fast erlösend dann der Schlusskommentar des Klaviers: die Spannung darf abfallen, mit Dvoraks „Humoreske“ kommen wir wieder in luftig heitere Gefilde ohne Grenzgänge.

Die Musiktage Mondsee dauern bis 3. September – www.musiktage-mondsee.at
Bilder: Musiktage Mondsee