Auch Kateryna leidet an einem Russen

HINTERGRUND / ODESSA / OPER

24/03/23 So sehr das Land malträtiert ist. Die meisten ukrainischen Theater halten wieder des Spielbetrieb aufrecht, auch wenn Heizung und Licht immer wieder ausfallen. So auch die Oper in Odessa. Aus den ersten Kriegsmonaten haben wir noch die Bilder von Barrikaden und Sandsäcken vor der Fassade im Kopf.

Von Reinhard Kriechbaum

Es ist ein besonderes Opernhaus, nicht weit weg von jener Stiegenanlage zum Hafen hinunter, die Sergej Eisenstein mit seinem Film Panzerkreuzer Potemkin 1925 berühmt gemacht hat. Helmer und Fellner haben dieses 1887 eröffnete Prachtgebäude entworfen, das südöstlichst gelegene ihrer vielen Theaterbauten. Die Ukraine hat zwei Theater von Helmer und Fellner. Jenes in Czernowitz (das damals ja noch zur Monarchie gehörte) erinnert in seiner Kleinheit an das ebenfalls von ihnen entworfene Salzburger Landestheater. Die Oper in der Hafenstadt Odessa ist vielleicht der größte und repräsentativste Theaterbau der berühmten Theaterarchitekten der Monarchie.

Gleich drei Reihen von Proszeniumslogen – das ist nicht die einzige bauliche Besonderheit dieses im Stil des Neo-Barock bzw. Neo-Rokoko ausgestatteten Gebäudes. Noch viel auffälliger ist, dass es nicht ein zentrales Treppenhaus gibt, sondern deren zwei, jeweils seitlich. Das war damals der Bürgerschaft wichtig – ihre Oper sollte dezidiert nicht als zaristisches Gebäude wahrgenommen werden, sondern das Selbstbewusstsein des Großbürgertums spiegeln. Wenn ARTE ab heute Freitag (24.2.), dem Jahrestag des Kriegsausbruchs, die Aufzeichnung einer Opernuraufführung aus Odessa sendet, wird man hoffentlich auch ein wenig vom Gebäude selbst sehen.

Bis dieses Stück, die Oper Kateryna von dem ukrainischen Komponisten Alexander Rodin, vor Publikum gezeigt werden konnte, vergingen viele Monate. Die Premiere war ursprünglich für den 27. März 2022, den Welttheatertag, geplant gewesen. Eine öffentliche Opernprobe für Medienvertreter hätte akkurat an jenem 24. Februar stattfinden sollen, da Putin den Angriffskrieg begann. Da war es natürlich vorbei mit dem Spielbetrieb.

Gleich in den ersten Tagen der russischen Invasion meldeten sich viele Mitarbeiter des Theaters zur Armee. Andere blieben auch in Odessa und fanden Zuflucht vor Bombenangriffen in einem Bunker, der unter dem Theater errichtet wurde. Drei Monate lang war das Opernhaus von Barrikaden umgeben. Mitte Juni 2022 hat man unter schwierigsten Bedingungen wieder zu spielen begonnen. Am 17. September des Vorjahres fand die Uraufführung von Kateryna statt. Eine Folgeaufführung im Oktober wurde aufgezeichnet.

Kateryna erzählt die Geschichte eines ukrainischen Mädchens, dessen Liebe von einem russischen Soldaten verraten wird. In ihrer Verzweiflung lässt sie ihr Kind allein im Wald zurück und ertränkt sich im See. Es sei, so meldet ARTE, die aufwändigste Produktion des Oper Odessa seit der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine. Das Auftragswerk basiert auf einem Gedicht von Taras Schewtschenko (1814-1861), einem der Nationaldichter der Ukraine. Die Aufführung erfolgt teilweise auf eigens für dieses Werk entwickelten Instrumenten, die Naturgeräusche imitieren. Es wurden achthundert Kostüme entworfen und in Charkiw produziert. Das Ballett spielt eine große Rolle.

Der Komponist Alexander Rodin lebt übrigens nicht mehr in der Ukraine. Seit 2001 ist er in Deutschland und gehört als Klarinettist dem Kurorchester der Stadt Bad Homburg an. Er ist auch ein Spezialist für Klezmer-Musik.

Kateryna“, am Freitag 24.2. Sonntag, 18 Uhr auf ARTE Concert, untertitelt in sechs Sprachen. Im Anschluss steht die Oper als Video-on-Demand 90 Tage in der ARTE-Mediathek zur Verfügung – arte.tv/opera
Diese Produktion ist Teil des ARTE-Programmschwerpunktes „Ukraine - Ein Jahr Krieg in Europa“ – arte.tv/ukraine
Bilder: Wikimedia/Alex Levitsky & Dmitry Shamatazhi (2); Arte (1); Filmstill Wolga-Klezmer (1)