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Keine Spur von Operettenseligkeit

ZÜRICH / DIE CSARDASFÜRSTIN

01/10/20 Regisseur Jan Philipp Gloger ersetzt im Zürcher Opernhaus den Kriegsfatalismus im Libretto der Csárdásfürstin durch umweltzerstörende Corona-Flüchtlinge auf einer Luxusjacht, die nach der Havarie ihr unbeschwertes Leben auf dem Mars fortsetzen.

Von Oliver Schneider

Statt sorglos in den Tag lebende Blaublütige einer untergehenden Epoche schippern also ein paar junge Superreiche mit ihrem Dienst- und Bespaßungspersonal über die Weltmeere auf der Flucht vor dem bekannten Virus, bis ihre Jacht auf Grund läuft und der Großteil der Gesellschaft beim letzten Tanz im Meer ertrinkt. Jan Philipp Gloger stellt aber nicht nur einen Bezug zur Pandemie her, sondern sieht diese und den Fatalismus der Protagonisten in einem Gesamtkontext mit Umweltzerstörung, Klimakatastrophe und Bootsflüchtlingen. Von Operettenseligkeit kann an diesem Abend keine Rede sein, was auch im Libretto und musikalisch so angelegt ist. Das Lachen bleibt einem spätestens dann im Hals stecken, wenn die ach so herzigen Eisbär-, Pinguin-, Elch-, Seelöwen-, Giraffen- und Zebrapaare elendig im mit Plastik zugemüllten Meer verenden. Eingeschoben wird passend das Couplet „Der Alte Noah“ aus Kálmáns Faschingsfee, das Martin Zysset als Feri drehorgelnd mit breitem Schweizer Akzent zum Besten geben darf.

Doch wie geht Gloger mit dem männlichen, mit heutiger Brille inkorrekten Chauvinismus um in Texten wie „Die Mädis vom Chantant“, die die Liebe nicht so tragisch nehmen? Er gibt die Männer der Lächerlichkeit preis, zumal sie sich nicht zu schade sind, die per Boot aufs Schiff gebrachten Thailänderinnen mit billigen Stofftieren aus dem Duty-Free-Shop als Lohn abzuspeisen. Solche Typen kann man einfach nicht ernst nehmen.

Beim Landgang in der Südsee verspricht Edwin (Pavol Breslik) seiner Sylva Varescu (Annette Dasch), sie binnen acht Wochen an den Altar zu führen, obwohl er doch längst mit der leider als infantil und allzu sehr dem Alkohol zugeneigten Stasi (Rebeca Olvera) verheiratet ist. Ein bisschen weniger plakativ hätte man hier schon arbeiten dürfen, immerhin verzichtet sie schlussendlich großmütig auf Edwin.

Statt sich durch seinen Vater per Helikopter retten zu lassen, kehrt Edwin am Ende für immer zu seiner Sylva zurück, während Stasi in seinem Freund Boni einen guten Ersatz findet. Und passend zu „Tausend kleine Englein singen: Habt euch lieb“ reist das sorglose Quartett durch die Milchstraße auf dem Mars. Wo sich die Mars-Menschen über die Champagner-trinkenden Erdenmenschen wundern, denen immerhin das Liebesglück – und nicht der Luxus – am wichtigsten bleibt, wenn auch die Welt um sie herum untergeht.

Annette Dasch ist eine Sylva, wie man sie sich wünscht. Schon bei ihrem Auftrittslied „Heia, heia! In den Bergen ist mein Heimatland“ fesselt sie singend, tanzend und spielend. Aber genauso ist sie eine reflektierende junge Frau, die zwischen ihren Gefühlen für den verheirateten Edwin und ihren Realitätssinn hin- und hergerissen wird. Pavol Breslik lässt stimmlich mit seinem edlen Tenor ohnehin keine Wünsche übrig, darstellerisch würde man sich ein bisschen mehr Lockerheit wünschen. So wie es Spencer Lang als Boni vormacht, mit lockeren Sprüchen mal in Englisch und mal in Deutsch. Rebeca Olvera punktet vor allem mit ihrem lieblichen Sopran.

Das Orchester und der Chor sind auch bei dieser Produktion im Probesaal platziert. Der Klang wird via Glasfaserkabel ins Opernhaus übertragen. Lorenzo Viotti führt das Orchester mit Schwung und Spritzigkeit durch die bekannten Hits der Operette, wobei die Koordination zwischen Bühne im Opernhaus und dem Probesaal noch nicht immer ganz einwandfrei war. Das wird sich aber im Laufe der nächsten Vorstellungen sicher einschleifen.

Weitere Vorstellungen bis 11. Oktober – www.opernhaus.ch
Bilder: Opernhaus Zürich / Toni Suter

 

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