Sehnsuchts-Ort und Dauerbrenner

FILM IM SALZKAMMERGUT / ST. WOLFGANG

19/10/12 Die Kult-Schnulze „Im Weißen Rössl“ neu verfilmt? Das ist fast so riskant, wie ein Remake von „Casablanca“ oder „Das Fenster zum Hof“. Gedreht wurde in den letzten Wochen im Studio im aufgelassenen Hallenbad und in der ehemaligen Jugendherberge Lueg im gleichnamigen Ortsteil von St. Gilgen. - Sankt Gilgen?

Von Heidemarie Klabacher

„Es heißt ‚Im Weißen Rössl am Wolfgangsee’ und nicht ‚Im Weißen Rössl in St. Wolfgang’“, sagt Hans Wieser, Geschäftsführer der Wolfgangsee Tourismus Gesellschaft und Kurdirektor von St. Wolfgang kurz und bündig zur neuen Location.

Das Weiße Rössl 2012 ist ein wenig außerhalb St. Gilgens malerisch gelegen unterhalb der Wolfgangsee Bundesstraße auf dem schmalen Landstreifen zwischen Fels und Wasser. Nach den Dreharbeiten soll aus der aufgelassenen Jugendherberge Lueg ein Luxushotel werden, hört man. Und da und dort wurden auch schon Befürchtungen laut, dass man dann womöglich nicht mehr durch das Hotelareal wandern wird dürfen.

Das Remake mit Fritz Karl als Oberkellner Leopold und Edita Malovcic als Rösslwirtin in der Regie von Christian Theede nach einem Buch von Jan Berger ist so gut wie im Kasten: Mit  Traumsequenzen und Rückblenden von der grau-nüchternen Gegenwart in eine gold-selige  Vergangenheit soll die Neuverfilmung spielen. 2013 kommt der von Ziegler, Graf und Senator Film produzierte Film zunächst ins Kino und geht dann an die Kooperations-Partner ZDF und ORF.

Zeit genug also, von St. Gilgen hinüber nach St. Wolfgang zu blicken. Dort scheinen die Erinnerungen an die Dreharbeiten zum „Ur-Rössl“ von 1960 so lebendig zu sein als lägen diese nicht 52 Jahre zurück, sondern zwei Wochen.

Dort wo heute mitten in St. Wolfgang in einer Lücke zwischen zwei Häusern ein unscheinbarer kleiner Lindenbaum wächst, stand einst das Feinkostgeschäft Furian samt Imbiss-Stube: Im kleineren Gastzimmer war der einzige Tisch den einheimischen  Jägern und Förstern als Stammtisch vorbehalten. Um die vier Tische im größeren Raum drängten sich Schauspieler, Regisseure, Opernsänger und Schriftsteller, erzählt die heute 92 Jahre alte Anna Furian, die das Geschäft 1949 von ihren Eltern übernommen und mit ihrem Ehemann geführt hatte. Curd Jürgens, Hildegard Knef, Robert Stolz, Hilde Güden, die Löwingers, Marika Rökk, Hilde Spiel, Lernet Holenia oder Anne Rosa gingen dort ebenso aus und ein, wie Peter Alexander und Waltraud Haas samt Rössl-Crew.

Mit jeder Seite, die Anna Furian im ledergebundenen Gästebuch umblättert, werden Geschichten und Geschichte gleichzeitig lebendig. Der Stummfilm- und Filmstar Emil Jannings etwa, der den allerersten „Oskar“ erhalten hat und nach Kriegsende von den Alliierten mit Berufsverbot belegt worden war, habe bei ihnen im Geschäft immer rohe Eier getrunken, erinnert sich Anna Furian. Jannings ist in St. Wolfgang geblieben: Er wurde nach seinem Tod 1950 auf dem Friedhof in St. Wolfgang beerdigt – wie auch der Rössl-Komponist Ralph Bernatzky. Curd Jürgens habe gerne „Hecht auf Sardellen“ bestellt, sei öfter bis in die Küche vorgedrungen - und habe einmal nur knapp verhindern können, dass sein goldener Royce Royce abgeschleppt wurde…

Viel Platz war ja nie in St. Wolfgang. 1978 mussten Haus und Geschäft der Furians der  Ortsdurchfahrt weichen. Eine Entscheidung, die man heute – nachdem es die Ortsumfahrung samt Tunnel gibt – beinahe schon wieder bereut, so der Touristiker Hans Wieser. Aus dem geschichtsträchtigen Promi-Treff ließe sichtrefflich Kapital schlagen. Das Geld für die Ablöse wurde von der Familie jedenfalls in das „Hotel Furian“ in der Sternallee investiert, das heute von Teddy Furian, Wasserski-Slalom-Staatsmeister 2008 und Vize-Staatsmeister 2010, als „Wasserski-Hotel“ geführt wird. Teddy Furian ist übrigens der Knirps vorne in dem berühmten Film-Still auf dem Peter Alexander als Oberkellner Leopold sich eine glückliche kinderreiche Zukunft mit seiner Chefin, der Rössl-Wirtin Waltraud Haas, zurechtträumt.

Gelegentlich träumen auch Josef Eisl, Johann Hinterberger und Max Lippert, drei gebürtige St. Wolfganger, noch von den Dreharbeiten, waren sie doch als jugendliche Zaungäste, Statisten und Schuhplattler hautnah dabei. „Hast wieder ‚Weißes Rössl’ g’schaut?“, antworten sie routinemäßig, wenn wieder einmal jemand sagt, „Ich hab dich im Fernsehen gesehen“.

1960 habe der landende Hubschrauber des „Schönen Sigismund“ alle Blätter vom Baum geweht, und alle zusammen, von den Stars bis zu den Komparsen, hätten die Blätter in mühevoller Kleinarbeit wieder an die Zweige geklebt. Andere Zeiten, andere technische Möglichkeiten. Auch einen Hubschrauber habe man „damals“ kaum einmal zu Gesicht bekommen, und dann sei der Filmhubschrauber auf dem Campingplatz gestanden und gewartet worden.

Wie in Bad Ischl oder Gmunden wurden in St. Wolfgang zahlreiche meist harmlose Filmchen gedreht (2011 etwa „Liebesgrüße aus der Vergangenheit“ aus der Lilly Schönauer-Reihe). Aber nur der Plott vom „Weißen Rössl“ kommt tatsächlich aus der Region: In Lauffen bei Bad Ischl soll sich eine Liebesgeschichte zwischen einer Wirtin und einem Oberkellner so oder so ähnlich abgespielt haben: Das habe der Komponist Ralph Bernatzky vom Theaterkritiker und Autor Oskar Blumenthal erfahren, welcher in Lauffen das erste Fertigteilhaus Österreichs besessen hatte…. Geschichten über Geschichtchen.

Jedenfalls, so erzählt der Locationscout Johannes Reiter, sei so im Herzen des Salzkammergutes eine „Berliner Komödie“ entstanden: „Der Wolfgangsee war in dieser Zeit ein noch größerer Sehnsuchtsort, als Venedig. Man hat mit der Wahl des Wolfgangsees als Schauplatz den Nerv der Menschen getroffen.“

Der historische Leopold, leider dem Alkohol zugetan, war sogar ein entfernter Verwandter der Besitzer des richtigen Luxushotels „Weißes Rössl“. Heute hält sich Gudrun Trutmann-Peter, Rössl-Wirtin in fünfter Generation, bezüglich der Neuverfilmung ebenso bedeckt, wie 1960 ihre Großmutter: „Auch unter meiner Großmutter wurde nicht im Haus gedreht und die Außenaufnahmen so adaptiert, dass es für die Kamera günstig war“, schreibt die „bekennende nicht-singende Rössl-Wirtin“ in ihrem Blog. „So war zum Beispiel der Hoteleingang nie am Uferplatz, sondern in der Rösslgasse. Da diese zu schmal zum filmen war, wurde in ‚künstlerische Freiheit’ der Lieferanteneingang kurzfristig mit Kulisse zum Filmeingang umfunktioniert.“ Und die Neuverfilmung? „Wir sind gespannt.“ (Ende der Serie "Film im Salzkammergut")

www.wolfgangsee.at
Bilder: dpk-klaba
Zu den weiteren Folgen der Serie "Film im Salzkammergut"
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Der Käse zur Serie – ein Verkaufshit
– Gmunden
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– Bad Ischl