Stille Wasser sind tief
PFINGSTFESTSPIELE / STEFANOVICH, GOERNE
10/06/25 Passend zum diesjährigen Fokus auf Venedig bot die Pianistin Tamara Stefanovich am Pfingstmontag (9.6.) Vormittag im Großen Saal des Mozarteums bedenkenswert Nachdenkliches um den bekanntlich in Venedigs Palazzo Vendramin gestorbenen Richard Wagner. In den letzten fünfzehn Minuten stieß der Bariton Matthias Goerne dazu.
Von Horst Reischenböck
Tamara Stefanovich ist für Markus Hinterhäuser eingesprungen, der wegen einer Sehnenscheidenentzündung absagen musste. Die aus Serbien stammende Pianistin, in den USA und in Köln ausgebildet, hat sich unter anderem als Interpretin von Komponisten des 20. Jahrhunderts international Reputation erworben. Diese hat sie auch in diesem Konzert nachdrücklich unterstrichen.
Trotz der Tempo-Vorgabe „Mäßig“ ging es stürmisch bewegt und doch emotional gezügelt in die einsätzige Sonate op. 1 von Alban Berg. Das gut zehn Minuten dauernde Stück gestaltete Tamara Stefanovich klar disponiert an der Bruchlinie von espressiver Spätromantik entlang. Franz Liszt hat, entgegen aller Virtuosität, mit den über die Nuages gris S 199 gestreuten ausgedünnten Gedanken weit die Tore über die Jahrhundertwende hinaus geöffnet. Von da ging's nahtlos hinüber in Salvatore Sciarrinos Perduto in una città d’acque.
Manche Gelegenheit also, in den Wassern rund um Venedig in unterschiedlichste Stimmungen einzutauchen: Liszts Charakterstücke La lugubre gondolae S 200/1 und 2 umrahmten das ausgedehnte … soffert onde serene … (die „erlittenen heiteren bzw. ruhigen Wogen oder auch Wellen“) von Luigi Nono. Dieses Stück hat der Matinee das Motto gegeben. Da hat Nono zum ersten Mal in seinem Schaffen vom Tonband her aus der Tiefe steigende, meditative Glockenklänge eingestreut. Vom SWR Tonstudio Köln präpariert war dies ein klingendes Memento an den vor Jahrzehnten auch in Salzburg aktiv gewesenen Komponisten-Kollegen und Dirigenten Bruno Maderna.
Den Abschluss dieser Klavier-Dreiviertelstunde bildeten dann noch die in gleichem Geiste tief empfunden Stücke Am Grabe Richard Wagners S 202 und R. W. – Venezia S 201 von Liszt.
Mit dem Auftritt von Matthias Goerne wendete sich das Blatt. Er ist einer der heutzutage eher raren Sänger, die sehr konzentriert das Lied-Repertoire pflegen. Hier widmeten er und Tamara Stefanovich sich verinnerlicht den von Wagner Wagner vertonten Fünf Gedichten für Stimme und Klavier WWV 91, bekannt als Wesendonck-Lieder. Diese werden sonst eher mit Vokalistinnen in Verbindung gebracht. Goerne hat sie, trotz aller innewohnenden Leidenschaft, eher zurückhaltend, über alle Register hinweg geschmeidig und ausdrucksvoll vertieft nachgestaltet. Dies hat das Publikum zurecht als Höhepunkt empfunden, und so wurden der Sänger und die in gleichem Geist nachdrücklich am Flügel waltende Tamara Stefanovich entsprechend begeistert bedankt und langanhaltend gefeiert.
Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli