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Violettas Opfertod

PFINGSTFESTSPIELE / LA TRAVIATA

09/06/25 Es mutet etwas seltsam an, La Traviata bloß konzertant aufzuführen. Doch der Abend im Großen Festspielhaus am Pfingstsonntag bewies, wie schön es sein kann, wenn sich ein bühnenerfahrenes Ensemble selbst inszeniert. So einfach und wirkungsvoll kann Oper sein.

Von Gottfried Franz Kasparek

Diesen Tod der Violetta Valéry wird man nicht vergessen. Nadine Sierra, auch in ihrer Erscheinung der Rolle ideal entsprechend, schleppt sich im Finale im schwarzen Unterkleid auf die Bühne, leidet und stirbt mit großen Gesten und innerem Ausdruck, singt Addio del passato mit all der in allen Lagen ansprechenden, leuchtkräftigen, schmerzlichen Schönheit ihres Soprans, hustet ein wenig, was Verdi übrigens gar nicht mochte, wandelt am Schluss hinter das Orchester und erstarrt an der Rückwand wie eine von der hemmungslosen Männer-Gesellschaft Gekreuzigte. Ein starkes Bild. Nadine Sierra hat sich im Lauf des Abends lachend und weinend von der lebenslustigen Kurtisane – heute würde man Callgirl sagen – zur klassischen Tragödin gewandelt. Manchmal mag man sich eine den Überschwang gestaltende Regie wünschen, aber das Wesentliche findet statt und berührt. In den heiklen Koloraturen des ersten Akts schlägt sie sich wacker. Wenn es um seelische Erschütterung geht, trifft sie mitten ins Herz.

Piotr Beczała und Luca Salsi als Sohn und Vater Germont sind nicht unbedingt bedeutende Schauspieler, aber finden stimmige Profile. Der längst bei Calaf und Lohengrin gelandete Tenor befindet sich auf der Höhe seiner vokalen Kunst, singt trotz schwerer gewordener Stimme mit nach wie vor betörendem Timbre und der ihm eigenen lyrischen Strahlkraft und wirkt als zwischen Familienehre und Liebe zerrissener Alfredo im Grunde sympathisch. Auch der pfundige Bariton in bester italienischer Tradition erfreut mit innig artikulierten Belcanto-Zwischentönen wie in seiner berühmten Arie und im Duett mit Violetta. Wie er sich vom hölzernen Patriarchen zum mitleidenden Menschen wandelt, beeindruckt.

Die Party-Gesellschaft rund um diese Trias wirkt stimmlich etwas uneinheitlich, aber im Auf- und Abtreten passend. Štěpánka Pučálková ist eine kokett mit den Männern (mit-)spielende Lebedame Flora mit hellem Mezzo, Alejandro Del Angel, ein vielseitiger Spieltenor als Marquis d'Obigny, sowie der profunde Bass Francesco Milanese als Doktor Grenvil ragen heraus – und Federica Spatola als Annina. Die ergreifend schlicht mitfühlende Zofe und schließlich Pflegerin Violettas kommt wie die drei männlichen Dienstboten des Stücks aus dem Chor der Opéra de Monte-Carlo, deren Intendantin Cecilia Bartoli ist und der, perfekt einstudiert von Stefano Visconti, mit viriler Klangschönheit begeistern kann.

Leider kommt die im ersten und letzten Bild wichtige Bühnenmusik offenbar großteils vom Band. Am Podium sitzt das formidable Mozarteumorchester Salzburg und beweist seine Opernkompetenz, woran es vom heftig mit dem Dirigentenstab werkenden Massimo Zanetti nicht allzu sehr behindert und häufig mit väterlicher Gestik belobigt wird. Zanetti, ein typischer italienischer Kapellmeister der Mittelklasse, dirigiert auswendig und kann dank jahrzehntelanger Opernerfahrung sehr gut singende Menschen begleiten. Er badet ausgiebig in der Streicherwonne der Vorspiele, die durchaus langsam sein können, nur müsste man halt die Spannung halten. Verdis sensible Instrumentation kommt an diesem Abend zu selten zum Vorschein. Der Jubel des Publikums im ausverkauften Haus gilt zurecht der ergreifend singenden und herzerfrischend agierenden Weltklasse-Trias.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

 

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