Lichtmusik im Dunkeln
DIALOGE / ERÖFFNUNG
28/11/13 Dialoge aus Licht? Zur Eröffnung die Negation durch Musik im Dunklen. Ives als Brennpunkt, Haas als Bezugspunkt und Mozart als Ausgangspunkt: Das Klangforum Wien, der Salzburger Bachchor, Christa Schönfeldinger mit der Glasharmonika und die Pianistin Tamara Stefanovich bei den Dialogen.
Von Erhard Petzel
Das Thema „Licht“ wird durch die Installationen von Brigitte Kowanz augenscheinlich. Blickfang ein Tetraeder mit Frontglas und Spiegelwänden, die gemeinsam ein Lichtobjekt in reflektierte Räume setzen, zu Füßen des Mozartls in prominenter Position im Foyer. Sonst blaut sich Neongeleucht schüchtern durch die Gegend.
Das Klangforum Wien eröffnet am Mittwoch (27.11.) im Großen Saal des Mozarteums zunächst im gemischten Sextett mit „Adagio di Mozart“, einer Bearbeitung des Adagios für Glasharmonika KV 356 durch Salvatore Sciarrino. Hübsch in der Klangmischung von Holz und Streichern, die stellenweise den Glasklang im Ohr evoziert. Nach der Pause korrespondiert Mozarts Adagio und Rondo KV 617 mit diesem Beginn, diesmal tatsächlich mit Glasharmonika (Christa Schönfeldinger) im beflissenen Wechselspiel mit Flöte, Oboe, Viola und Cello.
Der zentrale Komponist des Abends aber ist Charles Ives: ein schillernder Kreativer mit eigentümlichen Facetten und einem Werk, das fallweise Jahrzehnte über seine Entstehungszeit hinausweist. „Three Quarter Tone Pieces“ für 2 Klaviere entsteht als Spiel für zwei um einen Viertelton gegeneinander „verstimmten“ Klavieren immerhin zu einer Zeit, da Schönberg sich anschickt, seine Dodekaphonie auszuarbeiten.
Aber mit „Central Park In The Dark“ gelingt ihm 1906 für heutige Ohren Zeitgenössisches. Ein fortschreitender Teppich aus Dissonanzen in den Streichern, kurze Melodieinseln zunächst der Klarinette, die Bläserriege mischt immer wieder mit, dazu Klavier, die unterschiedlichen Klanginseln verdichten sich zum Tohuwabohu, das nach seinem Höhepunkt wieder in die anfängliche Bewegung einschwenkt. Das alles natürlich mit unterlegtem Programm, das man aber gar nicht wirklich so genau wissen will.
Ähnlich Ives‘ Sonata Nr.1 für Klavier, die im Geiste Liszts und Debussys amerikanischen Gestus in einer Kühnheit entwickelt, die Gershwin, der sich zu der Zeit noch in der Tin-Pan-Alley abstrampelte, in seiner besten Zeit zum Kommerzkünstler degradiert. Die eingestreuten Rag-Times sind extremer ragged als bei Art Tatum, lyrische Szenen im rhapsodischen Verlauf sind wie improvisiert impressionistische Klangbäder, während eingeworfene Schlager grenzenlos zerschreddert werden.
Bewundernswert Tamara Stefanovich, die das enorm virtuose Werk als Einspringerin innerhalb einer Woche erlernt hat. Aber auch Joonas Ahonen und Florian Müller erfüllen die mit 3 Flügeln übersäte Szene mit kompetentem Leben im Wechselspiel mit dem makellos und differenziert musizierenden Klangforum unter der sorgfältigen Führung Clement Powers. Das volle Spektrum zwischen Animosität und Macht kosten sie aber zusammen mit dem Bachchor aus in „Wohin bist du gegangen?“ von Georg Friedrich Haas.
Dieser wird im Zentrum der folgenden Konzerte stehen, worauf man sich getrost freuen kann, weil seine Werke durch Klangreichtum und Raumklang bestechen. So sprachen, flüsterten und heulten die Choristen von den Balkonen zu oszillierenden Klangwogen zum trivialen Leid des Gehörnten im Text Fariduddin Attars. Ganz dunkel hätte es sein sollen. Dass es in Salzburg ganz dunkel nicht geht, weiß man seit Bernhard. Applaus und Jubel.
Heute Donnerstag (28.11.) bei den Dialogen: "De terrae fine", Werke von Mozart und Charlesd Ives mit Carolin Widmann (Violine), Cédric Tiberghien (Klavier) und dem Quatuor Diotima. 19.30 Uhr im Großen Saal des Mozarteums - www.mozarteum.at
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher