Messias-Geheimnis gelüftet

KULTURVEREINIGUNG / MESSIAS

10/11/11 Selbst nach den allerbesten Messias-Aufführungen ist man als aufmerksamer Hörer nicht selten „geschafft“. Beim Messias des Mozarteumorchesters und des Salzburger Bachchores im Großen Festspielhaus ist das anders: Am liebsten würde man „Da Capo“ rufen.

Von Heidemarie Klabacher

Gelegenheit, diese Sternstunde(n) nochmals zu erleben, gibt es tatsächlich: heute Donnerstag (10.11.) und morgen Freitag (11.11.). Drei Mal hat die Kulturvereinigung diese Richtung weisende Aufführung im Programm. Damit hat Kulturvereinigungsleitern Elisabeth Fuchs den Abonnenten aller drei Zyklen ein Highlight beschert. Geradezu enthusiastisch reagierte das - doch tendenziell auf Romantik und Klassik eingestellte - Publikum auf dieses „Messias-Erlebnis“ nach allen Regeln der Alten Musik und der Klangrede.

Leiter dieser Spitzenleistung englisch-salzburgischer Kräfte ist der junge in Oxford ausgebildete Barock-Spezialist Matthew Halls, der im Vorjahr am Landestheater „Arianna“ dirigiert hat.

Matthew Halls gelten große Linie und kleinste Phrase gleich, und so präsentiert er einen ebenso kraftvoll bewegten wie überirdisch schwebenden Messias. Im Tempo wirkt diese Interpretation in sich ruhend. Wie rasant die Tempi tatsächlich immer wieder sind, fällt kaum auf - weil ihm Instrumentalisten, Chor und Solisten selbst in den den bewegtesten Figuren und Koloraturen mit größter Souveränität und Brillanz folgen. So brodelt es unter der Oberfläche, die musikalische Spannung steigt vom ersten bis zum letzten Akkord.

Der Salzburger Bachchor - auf einem Höhenflug - reagierte wendig und sicher auf kleinste Anregungen des Dirigenten mit atemberaubenden Lautstärken- Tempo- und Agogikwechseln: temperamentvoll, präzise und angriffig in den Koloraturen, strahlend in den großen Linien, wortdeutlich in der Textgestaltung. Eine Bravourleistung! Immer wieder steht in diesem Messias die Zeit still - etwa im Chorsatz „Wie Schafe gingen wir alle in die Irre… Und der Herr legte ihm auf all unsere Missetaten“, der in einem geradezu überirdischen Pianissimo ausklingt.

Das Mozarteumorchester in seiner Rolle als Alte Musik-Ensemble liefert die mitreißende Basis: eine beinahe kammermusikalische Grundhaltung ist immer wieder das Zentralfeuer für die unglaublichsten Protuberanzen an Kraft und Klangfülle. Dabei verliert Matthew Halls nie das Detail aus dem Auge: In der Alt-Arie „Er ward verachtet“ etwa lässt er die Geigen tatsächlich klingen wie kleine boshafte Hiebe und Stiche.

Das Solisten-Quartett - „Made in England“ - ließ mit der Kunst der Verzierung viele der bekannten Arien wie zum ersten Mal gehört erscheinen: Joanne Lunn (Sopran), Stephen Wallace (Countertenor), Charles Daniels (Tenor) und Matthew Brook (Bass). Das einzige „aber“ zu dieser Aufführung könnte dem Contertenor Stephen Wallace im ersten Teil des Abends gelten, in dem er bei aller technischen Brillanz Stimmsitz und Klangfülle nicht recht zu finden schien. Umso bewegender dafür die Arie „He was despised“ im zweiten Teil, in der Stephen Wallace mit weichem Timbre, vollem Klang und duftig leichten Verzierungen staunen machte. Wie auch Joanne Lunn, die mit strahlendem Klang und mitreißender Textdeutlichkeit für die Entrückung des Publikums in die „Englischen“ Sphären zuständig war.

Charles Daniels berührte vom ersten gesungenen Ton des „Tröste Dich mein Volk“: Er ist der Vertreter einer Stimmkultur, wie sie wohl nur die englische Gesangstradition hervorbringt. Matthew Brook vergoldete mit seinen profunden Bass selbst die normalerweise eher ruppig angelegte Arie „Warum rasen die Völker“ zu eleganter Geschmeidigkeit. Rezitativ und Arie „Behold, I tell you a mystery“ und „The trumpet shall sound“ werden wegen des überirdisch zart gesungenen Wortes „Geheimnis“ und wegen des virtuosen Zwiegesprächs des Sängers mit dem Solotrompeter in Erinnerung bleiben. - Wie dieser ganze Messias.

Weitere Aufführungen heute, Donnerstag und am Freitag (10., 11.11.) im Großen Festspielhaus - www.kulturvereinigung.com
Bild: Hazard Chase / Eric Richmond