Sonatengipfel

SOMMERAKADEMIE MOZARTEUM / CLAUDIUS TANSKI

03/08/11 Der Titel des Dozentenkonzerts Dienstag (2. 8.) im Solitär versprach nicht zu viel. Symphonik fürs Klavier war angesagt: Zwei Abende nach Franz Liszts Todestag stellte Claudius Tanski dessen kapitalem Einsätzer die nicht weniger fordernde Sonate von Friedrich Julius Reubke gegenüber.

Von Horst Reischenböck

Selbst Eduard Hanslick, Liszt nicht unbedingt zugetan, konnte nicht umhin einzugestehen: „Nie habe ich ein raffinierteres, frecheres Aneinanderfügen der disparatesten Elemente erlebt, nie ein so wüstes Toben, einen so blutigen Kampf gegen alles, was musikalisch ist.“

Das h-Moll-Opus S 178, einer der Prüfsteine für alle Interpreten, war bei Claudius Tanski in besten Händen. Seit mehr als zwanzig Jahren beschäftigt er sich immer wieder damit, ihr Kaleidoskopartiges Hörern entsprechend logisch aufzuschlüsseln. Den vierzehn Tempoangaben nachfolgend, formte er auch diesmal wieder deren halbstündige Dauer absolut virtuos und in allen Anschlagnuancen kontrolliert. Gilt es doch, ab der einleitenden Sechstonskala unterschiedlichste Abschnitte variiert zu einem nichtsdestoweniger großen, geschlossenen Ganzen aufzutürmen. Gleichwohl vielleicht aber auch doch geringfügig distanziert einem völligen Rausch der Sinne gegenüber bis in den verdämmernden Schluss der Zweit- und Endgestalt hinein. Als Beispiel herausgegriffen: die dynamisch zwingende Steigerung des Fugato-Teils. Nach der Pause begegnete man der Sonate von Friedrich Julius Reubke. Er hat sie Liszt, seinem kurzzeitigen Lehrer, zugeeignet. Mit nur 24 Jahren, starb Reubke in Pillnitz (außer Dresden der einzige durch Canaletto verewigte Ort Sachsens), was Kollege Peter Cornelius zu Trauerversen anregte. Organisten halten das Andenken an ihn wach, wogegen seine umfangreiche Klaviersonate in b-Moll noch immer nicht zum pianistischen Standardrepertoire gehört. Vielleicht, weil sie nicht minder fordernd ist?

Zwischen Chopin, Schumann und Brahms hält die Musikgeschichte noch Einiges an Entdeckenswertem parat. Wie etwa den von Liszt geschätzten Felix Draeseke, den Tanski auch dankenswerterweise der Vergessenheit entriss. Sein Lehrer Alfred Brendel jedenfalls bedauerte, Reubke für sich leider zu spät entdeckt zu haben.

Die Begegnung mit Liszt muss diesem einen Schaffensschub vermittelt haben. Thematische Assoziationen sind zwar gelegentlich nicht von der Hand zu weisen, dennoch aber handelt es sich um ein durchaus eigenständiges Konzept. Drei Sätze,  die nahtlos ineinander übergehen: nach erstem kämpferisch tragisch, schon hier harmonisch kühnem Ansturm über Beethovens Schicksalsmotiv in ebenso intensive melodische Linien hinein und letztendlich zu geballt aufzutürmenden Akkordfolgen.

Das dankbare Kapitalstück wurde geradezu exemplarisch vorgeführt und entsprechend bejubelt. Claudius Tanski bot übrigens seinen Studenten, so sie sich damit vorbereiteten, heuer dafür zusätzlich Gratisunterricht an. Hoffentlicht taucht die Reubke-Sonate in Zukunft also öfter in Programmen auf.

Bild: rbartists / Wolfgang Kleber