Schatten und Licht

STIFTUNG MOZARTEUM / JEAN-FRÉDÉRIC NEUBURGER

16/03/11 Der 25jährige Pariser Jean-Frédéric Neuburger, „rising Star“ am Dienstag (15. 3.) im Wiener Saal, machte es sich und den Hörern durchaus nicht leicht, mit einem schlüssigen Bogen über 150 Jahre Klaviermusik.

Von Horst Reischenböck

Den publikumswirksamen Ohrwürmern des Jahrespatrons Franz Liszt ist Neuburger bewusst aus dem Weg gegangen. Dafür wuchtete er vorerst einmal mit den „Funérailles“ die einkomponierte harsche Trauer im Gedenken an den missglückten Ungarnaufstand von 1848 aus dem Steinway.

Lichtere Gedanken bekamen danach in den „Deux Légendes“ Raum: zart spielerisch, zugleich aber auch entsprechend virtuos. Wie sagte einst Nestor Alfred Brendel: „Entwaffnender noch als die Darstellung der Vöglein und Wogen, die aller impressionistischen Ehren wert wäre, ist die ruhige Sicherheit und noble Einfalt, die Liszt seinen Namensheiligen zuteil werden lässt. Über alles Zwitschern, Flattern und Brausen hinaus wird das Klavier zum Gefäß eines Credos, das auch den Ungläubigen poetisch beeindruckt.“ Dem entsprach Neuburger vollinhaltlich.

Was lag von da weg, nicht zuletzt vom religiösen Aspekt her, näher als der Gedanke zu Olivier Messiaen und dessen Vogelkatalog? Auch, was sich in Le Merle de roche, der Nummer 10 aus dem sechsten Band, gedanklich lautmalerisch heraushören lässt an erratischen Felsformationen, über die der Gesang der Gefiederten tiriliert.

Messiaen beeinflusste Jean-Frédéric Neuburger auch als Schöpfer eigener Werke, aber der junge Pianist vollzog mit seinen durch Gedichte Lautéamonts inspirierten „Trois Chants de Maldoror“ nach der Pause die gedankliche Kehrtwendung um 180 Grad: vom Göttlichen zum absoluten Verkörperer des Bösen. Speziell das Ausreizen der Extremlagen zu beiden Seiten des zusätzlich präparierten Flügels gebar unter seinen Händen eine unheilvolle Aura, in die hämmernde Skalen und repetierte Noten hinein stürzen.

Die ebenfalls zwingend logische Konsequenz daraus: Frédéric Chopins Opus 35. Neuburger rang sich förmlich in den ersten drei Sätzen der b-Moll-Sonate eine nahezu durchgehende Tragik ab. Die wenigen lichten Momente in den Trios von Scherzo und Trauermarsch ließ er dazu mit fast schon zu viel Rubato nachdenklich kontrastieren und katapultierte sich dann im Finale in die einkomponierte absolute Ausweglosigkeit.

Lebhaft dankte das diesmal erfreulicherweise mehr als sonst jugendlich durchsetzte Auditorium.

Bild: Rikimaru-Hotta