Walzerschritt und Wanderschuhe

KULTURVEREINIGUNG / DRESDNER PHILHARMONIE

18/02/11 Der Walzertakt und die symphonische Opulenz, das aufpolierte Glänzen der silbernen Rose und das Gleißen der Sonne im Hochgebirge. Aber auch ein Zugaben-Ausflug nach Spanien: Ohrenkitzler im ersten der beiden Konzerte der Dresdner Philharmonie unter Rafael Frühbeck de Burgos im Großen Festspielhaus.

Von Reinhard Kriechbaum

altEine „musikalisch souverän anachronistische Oper“ nannte Gottfried Franz Kasparek im Programmheft des Kulturvereinigungs-Konzerts vom Donnerstag (17.1.) den „Rosenkavalier“ – und das Gleiche könnte man vielleicht von der Wiedergabe sagen. Auch wenn man Orchester-Traditionen nicht überbewerten sollte in einer Zeit, in der klangliche Nivellierung eher gefragt ist als eigenes Timbre: Die Dresdner Philharmonie hat eine starke Strauss- und vor allem eine ganz entscheidende Kapellmeister-Tradition. Rafael Frühbeck de Burgos, 1933 geboren, ist einer in der Linie etwa des legendären Kurt Masur (jetzt Ehrendirigent des Orchesters). Frühbeck de Burgos geleitet seine starke Truppe ohne jede Eitelkeit handwerklich souverän durchs Partiturdickicht. Die musikalische Dramaturgie hat er sozusagen im kleinen Finger.

Da rauschte also erst einmal der Walzertakt auf in der Rosenkavalier-Suite. Das ist eine andere Zusammenstellung als die beiden (im Konzertsaal geläufigeren) Walzerfolgen, eine sozusagen auf die instrumentale Essenz verdichtete Oper von nicht mal einer halben Stunde Spieldauer. Schön, das wieder einmal live zu hören, und schön vor allem, es so unprätentiös angelegt zu erleben.

Die Zeichen der Zeit stehen ja eher auf analytische Durchdringung, aufs Auffächern. Das ist im Fall von Richard Strauss vielleicht gar nicht so nach dem Willen des Komponisten. Aus der „Alpensymphonie“ ließen sich noch deutlich mehr effekthascherische Töne destillieren, und man könnte die Malerei noch detailreicher vorzeigen. Aber Rafael Frühbeck de Burgos geht es wohl um mehr als um Naturbilder. Die „Alpensymphonie“ – uraufgeführt 1915 – steht auch für eine letzte Langstreckenwanderung durch die symphonische Klangsprache des 19. Jahrhunderts, mit Mut zu einer gewissen Brüchigkeit (und darin manchem Mahler-Werk gar nicht so unähnlich). Bei aller „Programmmusik“, bei aller süffiger Beschreibung: Die Nebelschwaden stehen nicht nur für meteorologische Fabulierlust.

Über solche Dinge durfte man also nachsinnen in dieser von großem Atem durchzogenen, lustvoll üppig ausgebreiteten, größzügig angelegten Wiedergabe, in der immer der Zusammenklang wichtiger war als das herausgekitzelte Solo. Nicht mal die legendären Kuhglocken haben wirklich aufdringlich gebimmelt.

Das Strauss-Programm war nicht lang, aber die Dresdner Gäste hatten noch zwei Zugaben vorbereitet. Niemand muss sich schämen, weil er die Stücke nicht erkannt hat. Es war wahrhaft Abwegiges! "Goyescas" sind ein Klavierzyklus von Enrique Granados, das Intermedio in einer gediegen schlanken, hintersinnigen Orchesterversion hörte man als Erstes: ein Stück, das man mit Ravels „La Valse“ und eben den konzertanten Rosenkavalier-Verschnitten zu den großen Walzer-Abgesängen der Literatur rechnen muss.

Und die zweite Zugabe: das Intermezzo aus der Zarzuela "La Boda de Luis Alonso" von Geronimo Gimenez. Da kam Stimmung auf.

Heute, Freitag, im Kulturvereinigungskonzert: "Ein Deutsches Requiem" von Brahms, ebenfalls mit der Dresdner Philharmonie unter Rafael Frühbeck de Burgos. Mit der Wiener Singakademie und den Solisten sind Christiane Karg und Gerd Grochowski. - www.kulturvereinigung.com
Bild: www.dresdnerphilharmonie.de