Leise Apokalypse

HOFHAYMER GESELLSCHAFT

09/11/10 Die Internationale Paul Hofhaymer Gesellschaft stellt auch unter Herbert Grassls Leitung unermüdlich die „Neue“ neben die „Alte“ Musik. Immer wieder erstaunen Stücke, die sich gleichsam jenseits der Zeiten ergänzen. So auch vor einigen Tagen, wieder einmal in der Schlosskirche Mirabell.

Von Paul Kornbeck

Der Kirchenraum im Schloss Mirabell wäre ideal, würde nicht mitunter der Verkehrslärm hereindringen. Trotzdem und weil es an diesem Abend (5.11.) relativ still im herbstlichen Salzburg gewesen ist - Manuel de Roos Stück nach Christian Morgensterns Gedicht „Die Apokalyptischen Reiter“ fand die Atmosphäre, die ihm zusteht. Denn de Roo hat keine farbintensiv wilde und lautstarke Klangsprache zu den Musik geradezu verlangenden expressiven Versen gefunden, sondern eine, die aus dem Leisen schöpft und desto bedrohlicher wirken kann. Wenn nacheinander „Der Tod, der Krieg, der Hunger und die Pest“ in der fahlen Nacht des Jüngsten Gerichts Station machen, dann zaubert der Komponist aus seiner E-Gitarre immer dieselben an die „Patterns“ der Rockmusik erinnernden Akkorde. Dazu erklingen, eher verhalten, passende Zuspielungen. Wie eine moderne „Feuer- und Wasserprobe“, eine wohl unbewusste Anlehnung an Mozarts „Zauberflöte“ mutet das an – und bleibt doch eigenständig.

Spartanisch sind Besetzung und Textur dieser „Ton-Dichtung“. Vier Stimmen – Aki Hashimoto, Bernadette Furch, Bernd Lambauer und der eingesprungene Retter des Abends, William S. Hackett – artikulieren das Gedicht, oft suggestiv flüsternd, oft eindringlich deklamatorisch, oft sogar im traditionellen Sinne und durchaus schön singend. Dazu schaffen E-Gitarre, sparsam, aber kunstvoll eingesetzte und von Alexander Kamenarov ebenso bediente Perkussion und ein wenig – vielleicht ganz verzichtbare - Sounds instrumentale Stimmungen, die nicht nur illustrieren, sondern einen gleichsam spirituellen Subtext schaffen, ganz ohne modisch avantgardistische Elemente, ganz auf den Kern der freien harmonischen Erfindung konzentriert, mündend in einer ins Licht strebenden Klangfläche zum finalen Vers „In freudelosen Halbschlaf sank selbst Er…“ Manuel de Roo, der sich „von Wort zu Wort“ durch Morgensterns Dichtung komponiert hat, dazu: „Es muss eine Quelle geben, auch wenn ich sie nicht sehen kann.“ An diesem Abend konnte man sie spüren, die Quelle.

Nach einer kurzen Pause folgten vier der konzentrierten und vollendeten „Cantiones sacrae“ von Heinrich Schütz, vom Gesangsquartett nicht bloß mit großer Stilsicherheit, sondern auch mit berührend schlichter Empfindung vorgetragen. Die Suche nach dem höheren Sinn der apokalyptischen Welt fand so in der Sicherheit fest gefügter Formen eine mögliche Antwort.