Zu viele Klavierhände für Brahms?

BACHCHOR / BRAHMS-REQUIEM

11/10/10 Der glänzend vorbereitete Salzburger Bachchor brillierte im Carabinieri-Saal mit Brahms-Werken, aber - um des Schöpfers willen: Muss es wirklich das Requiem in der vierhändigen Klavierfassung sein? Und warum in diesem ach so eitel-profanen Raum, der so gar nichts mit Demut und Vanitas zu tun hat?

Von Christiane Keckeis

Im 19. Jahrhundert war es übliche Praxis, Musik für Klavierduo zu bearbeiten. Nur so war es für musikalische Amateure möglich, große Werke auch außerhalb des Konzertsaales zu erleben – und zwar durch das eigene Spiel am Klavier. Von Zeit zu Zeit ließen sich die Komponisten selber dazu bewegen, ihre eigenen Stücke zu bearbeiten. Dies geschah im Falle des „Deutschen Requiems“. Brahms bearbeitete sein Werk für Klavier vierhändig, vielleicht des fürstlichen Honorars wegen, vielleicht auch aus der Überzeugung, wenn es denn sein müsse, sei er wohl selber der beste Kandidat für die Aufgabe. Dass er diese Arbeit insgesamt für unwürdig, aber wohl notwendig hielt, geht daraus hervor, dass er sich weigerte, seinen Namen auf dem Titelblatt als Arrangeur vermerkt zu haben. Und als dies dennoch geschah, ließ er auf eigene Kosten (!) die schon gedruckten Exemplare einziehen und mit neuen Titelblättern versehen, auf denen der Arrangeur nicht mehr genannt ist.

Mari Ota und Eung-Gu Kim waren zwei rechte pianistische Übeltäter am Samstag (9.10.) im Carabinierisaal der Residenz. Schwammiger Matsch, Pedal bis zum geht nicht mehr, Dreschen, Scheppern (was wohl auch an der Qualität des vorhandenen Flügels lag) und ein gelegentlicher Wettkampf von Lautstärke zwischen Chor und Klavier ließen dem Chor nur begrenzt eine Chance, das Werk in seiner Bedeutung und Tiefe deutlich zu machen.

Schade, denn die Sängerinnen und Sänger des Bachchors ließen kaum eine Chorqualität missen: herrlich präsent und mitteilungsfreudig, mit exzellenter Textverständlichkeit, homogen in den Stimmen (wunderbar die Tenöre, mit schönem dunklen Timbre und vielen Farben die Altistinnen). Und die Intonation war angesichts ihrer Reinheit in homophonen Akkorden oft beglückend. Das wäre nahezu perfekt gewesen - aber vom Volumen her mit Orchester.

Auch die Solisten waren mit Sorgfalt gewählt: Josef Wagner berührte mit kultiviertem, schön timbrierten dramatischen Bariton, Tünde Szabòki ließ ihren flirrenden Sopran mühelos in alle Höhen schweben.

Warum Chorleiter Alois Glassner nicht die Möglichkeit genutzt hat, innerhalb der Klavierfassung den intimeren, innigeren Brahms zu suchen, was durchaus seinen Reiz hätte, hat sich dem Zuhörer ebenso wenig erschlossen wie die Wahl des Raumes, der die Wirkung der ausgewählten Werke nicht eben unterstützte.

Nichtsdestotrotz: die treue Fangemeinde jubelte - und in Bezug auf die Chorleistung war die Freude ja auch berechtigt.