Barocke Romantik
CAMERATA SALZBURG / JANINE JANSEN
02/06/25 Abschluss des Camerata-Zyklus in dieser Saison, Glaubenssachen war das Motto. Das Kind muss wohl einen Namen haben. Für Mendelssohn traf’s in gewissem Maße auch zu, nachdem Janine Jansen sein Violinkonzert phänomenal geigte. Während Bach wohl aus protestantischen Gründen einbezogen war.
Von Horst Reischenböck
Das sechsstimmige Ricercare aus dem Musikalischen Opfer BWV 1079 ist eine Herausforderung, gerade am Beginn einer Programmfolge. Der Camerata-Cellist und Komponist Shane Woodborne hat eine Fassung hergestellt, die freilich nach zartem Piano-Themeneinstieg das Heraushören und Verfolgen kontrapunktischer Linien nicht immer erleichterte. Wer Anton Weberns klanglich differenziert aufgesplitterte Version kennt, tat sich mit Woodbornes gelegentlich fast romantisch süffigen Tonballungen doch einigermaßen schwer. Bei allem persönlichen Einsatz verzichtete er wohl danach auch auf Zustimmung an der Podiumsrampe.
Felix Mendelssohn Bartholdy hinterließ zwei Violinkonzerte. Sein erstes machte erst Yehudi Menuhin einigermaßen bekannt, wogegen das Konzert e-Moll op. 64 das wohl weltweit Meistgespielte sein dürfte. Janine Jansen setzt ihre Stradivari wieder in innige Beziehung zur Camerata. Sie spielt jene gebräuchliche Version des Soloparts, die auf den Widmungsträger Ferdinand David von 1845 zurückgeht. Mendelssohns ein Jahr zuvor entstandenes, in manchen Einzelheiten davon deutlich abweichendes Original ist seit 2018 im Verlag Bärenreiter zwar erhältlich ist, wurde bislang jedoch kaum berücksichtigt.
Die musikalische Gestalt an sich ist in beiden Fällen gleich. Inklusive der von Mendelssohn erstmals gefordert nahtlosen Abfolge der Sätze, um zu verhindern dass, wie in seiner Zeit durchaus noch üblich, dazwischen Anderes, Fremdes, gespielt wurde. Vom ersten noch zurückgehaltenen Einsteg ins Allegro hat die Solistin die dankbaren Angebote nahezu unentwegt feurig differenziert ausgekostet. Nachdem sich Janine Jansen verträumt durch’s Andante gesungen hatte, ließ sie die Flammen schließlich molto vivace lodern. Als Zugabe schlug sie mit dem langsamen Satz aus Bachs E-Dur-Konzert BWV 1042 allein mit einem Kontrabassisten einen berührenden Bogen zurück an den Programm-Beginn.
Nach der Pause folgte Mendelssohns von der Entstehung her eigentlich zweite, jedoch erst posthum als Nummer fünf veröffentlichte Sinfonie in d-Moll op. 107. Schwester Fanny hat sie mit dem Beinamen Reformations-Sinfonie bedacht. Darin kommt sowohl das gregorianische Magnificat, das Dresdner Amen und Martin Luthers Choral Ein feste Burg ist unser Gott vor. Die geistvollen Fugati wirkten kämpferisch artikuliert. Manches war so fein gespielt, dass selbst der Paukist sein Instrument gelegentlich nur mit den Fingerspitzen anrührte. Die Streicher gingen freilich nicht ebenmäßig ohne Vibrato zu Werke. Überhaupt stellte sich die frage, ob ein Kammerorchester nicht besser wie früher stehend musizieren sollte. Das würde auch den virilen Konzertmeister Gregory Ahss nicht nötigen, aufspringend dem ohnedies aufeinander eingeschworenen Kollektiv Einsätze zu geben.
Bild: Camerata Salzburg / Lukas Beck