Zehn Jahre nach dem Senkrechtstart
INTERVIEW / GORDON SAFARI
15/05/25 BachWerkVokal ist zehn Jahre alt. Die Anschub-Energie von Gordon Safari ist bis heute spürbar. „Mir war von Anfang an wichtig, Bach als unsere Inspriationsquelle zu nehmen und sein Vokalwerk ins Zentrum stellen“, sagt Gordon Safari im DrehPunktKultur-Interview.
Von Heidemarie Klabacher
Ihm sei es aber ebenso ein Anliegen, sich vom Bach'schen Vokalwerk zu komplexen, teils bis in die Gegenwart reichenden Programmen inspirieren zu lassen. „Was hat Bach selber inspiriert? Wie hat Bach andere Komponisten beeinflusst?“ Es öffneten sich anhand solcher Fragen „unerschöpfliche Querverbindungen“.
Ein Beispiel dafür ist das Programm Genug, das inspiriert war „von der Erfahrung mit Corona und dem, was sich sich damals gesellschaftlich abgespielt hat – und sich weiter abspielt“, so Gordon Safari. „Das Projekt ist in einen Tonträger gemündet. Die CD beibt aktuell.“ Tatsächlich reichen die Bezüge vom „biblischen Thema bis in unsere Tage und unserem Hang, nie genug und immer mehr haben zu wollen“.
Neben Bach, Johann Schelle (1648-1701) und Johann Rudolf Ahle (1625-1684), findet sich hier Alma Mahler-Werfels Hymne an die Nacht und – mit Jakob Gruchmanns Kantate Genug – eine Auftragskompostion des BWV an den Salzburger Komponisten. Die CD Genug aus dem Jahr 2022 ist beim Preis der Deutschen Schallplattenkritik für die Jahresbestenliste 2023 nominiert worden.
CD-Einspielungen sind für Gordon Safari wesentliche Schritte auf dem inzwischen sicher beschrittenen Weg zur internationalen Karriere. „Die fünfte CD geht grad in Produktion und wird noch heuer erscheinen.“ Fünf CDs in zehn Jahren also. Schon im Jahr zwei nach der Gründung habe es die ersten CD-Pläne gegeben. Die Überlegung schon damals: „Wir müssen diesen Schritt gehen, weil wir sonst Gefahr laufen, provinziell verortet zu bleben.“
Innerhalb kurzer Zeit entwickelte sich BachWerkVokal zu einem anerkannten Ensemble für historische Aufführungspraxis in Salzburg und Österreich. Inzwischen gastiert BWV regelmäßig in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Wir sind derzeit bei vierzig bis fünfzig Auftritten pro Jahr.“ Zur Professionalisierung beigetragen habe besonders auch diese „gewaltige Konzertfrequenz“. Dieses ständige miteinander Musizieren, die ständige gemeinsame Konzerterfahrung „sind unbezahlbar“, sagt Gordon Safari. „Das kann man durch proben allein nicht erreichen.“
Eine eigene Konzertreihe gestaltet BachWerkVokal nach wie vor in der Christuskirche in Salzburg. Es sei ihm wichtig, die „Homebase Salzburg“ zu pflegen und zu behalten. Es sei „einfach unglaublich schön und wichtig“, einge eigene Konzertreihe in der Heimat zu haben. „Ein Publikum, das so sensibel reagiert, ist ein Wert, der kaum zu ermessen ist.“ Immer noch hoch sei auch der Anteil von Musikerinnen und Musikern aus Salzburg. „Die Erfahrung der Älteren und der Wagemut der Jüngeren“ ergäben eine inspirierende Mischung.
Angefangen hat alles 2015. Gordon Safari, Kantor für die evangelische Kirche in Salzburg und Tirol, war kaum angekommen in Salzburg und verfolgte auch schon die Idee, hier ein Ensemble zu gründen. Die Begeisterung nach einer ersten Findungsprobe im Februar 2015 war groß, „die Energie des Anfangs extrem hoch“. Das habe ihn animiert, gleich eine ganze Konzertsaison aufzustellen. Ihm sein von anfang an klar gewesen, „wenn wir etwas was machen wollen, müssen wir uns als Ensemble mit einem ganzen Saisonprogramm aufstellen und nicht nur ein einzelnes Konzert veranstalten“.
Es ist, bei allen thematischen und dramaturgischen Bezügen in viele Richtungen der Musikgeschichte, doch ein vorwiegend sakrales Repertoire, dem Gordon Safari und BWV sich verschrieben haben. Wie geht das zusammen mit den Meldungen über Mitgliederschwund in der katholischen wie der evangelischen Kirche? „Jüngst gastierte BWV bei den Thüringer Bachwochen/Bachfestival Arnstadt“, erzählt Gordon Safari. „In der Bachkirche in Arnstadt sind vormittags zwanzig Personen im Gottesdienst. Wenn wir abends spielen sind es sechshundert, die auch noch Eintritt zahlen. Das heißt, dass Menschen hier inhaltlich etwas erleben, was sie in gottesdienstlichen Veranstaltunen so nicht mehr erfahren.“ Ihm werde immer klarer, dass es den Kirchen nicht mehr immer gelinge, „spirituelle Inhalte so zu vermitteln, dass diese berühren und berührbar werden“, so Safari. „In dieses Vakuum greift die Musik.“ Dieses könne etwa die Vokalmusik von Bach füllen. „Ich bin überzeugt, dass wir hier was haben, was Kirche in gewisser Form verloren hat.“ Kolleginnen und Kollegen, aber auch Theologinnen und Theologen, „die diese Begabung haben“, gäben ihm recht, sagt Gordon Safari. „Dieser Fakt führt leider oft dazu, dass Kirchenmusik und kirchliche Praxis in einer Art Konkurrenzverhältnis stehen, wie es nicht sein soll.“
Zehn Jahre Ensemble BachWerkVokal – Konzert am Sonntag (18.5.) um 18 Uhr in der Christuskirche – www.gordonsafari.com
Bilder: BWV / Andrej Grilc (1)
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