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Die musikalische Sau übers Parkett treiben

MOZARTEUMORCHESTER / WIDMANNN

09/05/25 Die heilige Zahl Drei – Dreifaltigkeit und so – gleitet als Dreier-Takt schnell auch mal ins Profane ab... Jörg Widmann dirigiert das Mozarteumorchester für Mozart – eigene Werke mit Schabernack als höherem Anspruch. Ein Abend fern der üblichen Konzerterwartung, dabei nicht ohne Tiefe.

Von Erhard Petzel

Es ist nicht ganz fair, im Jubiläumsjahr von Johann Strauß Sohn Mozart als dessen Vorgänger zu handeln, wenngleich er die Ballmusik für Joseph II. in der Hofburg geschrieben hat. Aber die Sechs Deutschen Tänze KV 571 weisen, namentlich in den Trios und in der Interpretation Widmanns, zeitweise echte Walzer-Qualitäten auf, wenn auch weit entfernt von den ausgeklügelten Formen am Höhepunkt der Walzer-Seligkeit.

Im Wesentlichen sind Mozarts Stücke ein gelungenes Entree für das Donnerstagskonzert (8.5.) im Großen Saal des Mozarteums, da sie in Agogik und Dynamik durchaus verschmitzt und ausgefallen daher kommen und sich bereit zeigen, die musikalische Sau übers Parkett zu treiben. Jedenfalls werden Kontraste ausgelebt und nicht schamhaft zurückgehalten, vor allem im letzten Tanz, der zum für damalige Verhältnisse großen Orchester noch Becken und Tambourin aufbietet.

Dem Mozart-Entree lässt Widmann seine eigenen Kinderreime und Nonsensverse für 5 Männerstimmen und kleines Orchester folgen. Dem Männerquintett Amarcord (Wolfram Lattke, Robert Pohlers, Frank Ozimek, Daniel Knauft und Holger Krause) auf den Leib geschrieben, kommen Ringelnatz, Brentano, Heine, Weckherlin, Kästner, Rosenmüller, Valentin und diverse Sprichwörter zum Handkuss.

Die oft sehr kurzen und prägnanten Texte sind in ein schillerndes, bisweilen schrilles Klangumfeld gebettet, in dem der Dreiertakt wiederum ein prominentes Dasein führt. Ob a cappella, aus dem Orchester mit pointierten Einwürfen gepeitscht oder von diesem in unterschiedlicher Intensität getragen (fallweise bedroht), das Quintett besticht durch flexible Ensemblestrukturen ebenso wie in den ausgebufften Dissonanzen in unerschütterter Close Harmony. Musikalisch sind die 14 Einheiten in sich geschlossen, wenn auch fallweise mit fließendem Übergang oder attacca aufeinander folgend.

Im Charakter können die einzelnen Einheiten sehr differieren. Herrlich der emotionale Aufwand um Ringelnatzens Briefmark, der sich in die ihn leckende Prinzessin verliebt, was letztlich in die Einsicht über die Tragik des Lebens mündet. Das Wiegenlied Brentanos wird zweimal unterschiedlich verwurstet, die Bahn des Mondes schräg beleuchtet. Heines Fräulein genießt den Sonnenuntergang am Meer in grober Ringelspiel-Italianita, während eine Grabschrift durch die Bässe grummelt. Will Rosenmüller über seinen Reimzwang in die Moderne, schlägt ihn die Musik mit gebrochenem Alpen-Idyll. Karl Valentins Chinesisches Couplet steigert seinen Irrsinn ins Irrwitzige. Den Abschluss bildet Ringelnatzens Parodie auf Goethes Wanderers Nachtlied , das im Blackout endet, worauf die Pause beginnt.

Danach entern Frank Stadler, Regine Schmitt-Welsch, Milan Radič, Corentin Jadé als Streichquartett und die Hornisten Rob van de Laar und Samuele Bertocci das Podium für Mozarts Ein musikalischer Spaß F-Dur KV 522 Dorfmusikanten-Sextett. Einerseits also gepflegtes Spiel jenseits der dahinter liegenden Diskriminierung (man mag den politisch Korrekten dafür Mozarts feministisches Engagement anbieten), andrerseits starker Druck auf die Ressentiment-Taste. Wenn im dritten Satz die Hörner schweigen, lassen sie es sich bei Bier und Kartenspiel samt Zigarre recht wohl ergehen. Das müssen sie dafür im Stress des Finalsatzes dann wieder ausbaden. Und nach Zwischenapplaus für hundige Kadenzen darf ohnehin nur der Konzertmeister gieren.

In das Horn dieser Geisteshaltung stößt der Komponist Widmann sodann mit seinen Dubairischen Tänzen für Ensemble aus 2009. Damit geht’s eklektisch in die tiefe bairische Bierzeltseele, die ohne Rücksicht auf Verluste neun brutal gebrochene Bewegungen mit dem Hintergrund von Walzer, Polka und Marsch paraphrasieren, etliches extrem verschleppt, anderes erbarmungslos gepuscht. Tanz vier ist ein Duo zweier Zinkwannen-Wasser-Planscher. Holz, Blech und Streicher stehen ausreichend parat, wenn auch in kleiner Besetzung, während beim Schlagwerk nicht gespart werden muss. Stilistisch insgesamt also ein sehr runder und geschlossener Abend jenseits der sonst üblichen Konzerterwartung. Trotzdem kein nur leichter. Auch die quasi leichte Muse fordert den Menschen in ihrer Unerbittlichkeit.

PROBEN-Fotos: Juliane Breyer (2); Vivien Reichelt (1)
 

 

 

 

 

 

 

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