Ich möchte die Menschen nicht belehren

INTERVIEW / KLAUS LANG

25/03/25 Seit Herbst 2024 hat der aus der Steiermark stammende Komponist eine Professur an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Im Mica-Interview spricht Klaus Lang über sein neues Werk emblemata sonantes. Dies ist im Musikpavillon der Steiermark Schau auf dem Wiener Heldenplatz noch bis 30. März zu hören. – Klaus Lang im MICA Interwiew mit Michael Franz Woels.

Mica: Ihr kompositorisches Schaffen bezeichnen Sie als ein Streben nach Wahrheit und Klarheit, geleitet von den Idealen der Philosophie des Wiener Kreises. Als eine zentrale künstlerische Forschungsfrage haben Sie diesen Satz formuliert: Wie kann ich den Geist von Formen der Vergangenheit in heutige Gestalten übersetzen?
Klaus Lang: Für mich persönlich ist die Bezugnahme und die Kenntnis von Geschichte, sowohl in Hinblick auf die Musik- wie auch die Geistesgeschichte, ein absolut zentrales, notwendiges und essenzielles Anliegen. ... Vor 1500 Jahren hat ein Mönch einen gregorianischen Choral niedergeschrieben und heute singen wir ihn immer noch. Natürlich verändert sich die Welt um einen herum, aber tiefe, menschliche Grundeigenschaften bleiben offenbar erhalten. Das Faszinierende an Kunst und überhaupt der Geistesgeschichte ist ja die Erkenntnis, dass es etwas Gemeinsames zwischen Menschen auch auf unterschiedlichen Kontinenten und zu unterschiedlichen Zeiten geben muss.

Mica: In ihrer Komposition emblemata sonantes, eingespielt von Art House 17, nehmen sie Bezug auf die Architektur und die barocke Wand- und Deckengestaltung von Schloss Eggenberg in Graz.
Klaus Lang: Auch bei tönendes licht, einer Auftrags-Komposition für Wien Modern, aufgeführt von den Wiener Symphonikern unter Peter Rundel und mit Wolfgang Kogert an der Orgel, habe ich mich auf den gotischen Raum der Stephanskirche bezogen. Das Thema der mittelalterlichen Ästhetik in der Architekturtheorie beschäftigt mich schon seit vielen Jahren. Räumliche Proportionen versuche ich mit kompositorischen Entscheidungen zu verknüpfen. ... Viele Menschen haben Vorurteile über das Mittelalter oder Unwissen. Die Gelehrten waren nicht alle nur von Weihrauchschleiern verhüllte Inquisitoren. Die mittelalterliche Philosophie hatte ein unglaubliches Bestreben ‒ lesen Sie zum Beispiel den italienischen Theologen Thomas von Aquin ‒ nach Klarheit im Denken. Das kann man ja auch an der gotischen Architektur erkennen. Im ersten Augenblick ist sie überwältigend, aber wenn man sie genauer besieht, erkennt man die genaue Systematik: Intellektuelle Durchdringung und sinnliche Erfahrungen werden zu einer Einheit zusammengeführt. So könnte man auch das Ziel meiner kompositorischen Arbeit beschreiben. …

Mica: Beim künstlerischen Arbeiten geht es ja immer auch um das Ziehen von Grenzen und der bewussten Entscheidung für Ausschlusskriterien. Sie versuchen ihre Musik frei zu halten von Ironie und Zynismus. Das empfinde ich beim Hören als sehr angenehm.
Klaus Lang: Komponieren hat für mich mit Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit zu tun. Gerade in der Kunstszene hat man das Gefühl, dass oft versucht wird, eine klare Stellungnahme mit Ironie zu überspielen. Das Schaffen von Kunst ist immer mit dem Risiko verbunden an etwas zu glauben, andererseits ist es ja eigentlich eine Tragödie für mein eigenes Leben, wenn ich nicht selber an meine Kunst, also meinen zentralen Lebensinhalt glauben kann. …

Mica: Sie versuchen ihre Arbei ja frei zu halten von Ideologien, die damit vermittelt werden könnten.

Klaus Lang: In den letzten Jahrzehnten habe ich Kunst zum Teil als sehr belehrend empfunden, die Kunstwelt wird dadurch zur Bildungsanstalt. Die Ideologie des Komponisten oder der Komponistin wird zum Inhalt des Stückes. Auch gesamtgesellschaftlich habe ich ähnliches beobachtet: Politiker:innen repräsentieren weniger die Menschen, als dass sie sie belehren. Die repräsentative Demokratie wird zu einer didaktischen Demokratie. Ich möchte den Menschen ein künstlerisches Erlebnis ermöglichen und sie nicht belehren darüber, was sie denken und empfinden sollen. Ein Stück kann berühren und einen Erkenntnisgewinn ermöglichen, auch ohne, dass ich diesen sprachlich fassen kann. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich durch den linguistic turn in der Philosophie ein fast magisches Verhältnis zur Sprache entwickelt. Man meint durch quasi magische Sprechakte die physische Wirklichkeit verändern zu können.

Als Äquivalent zur barbarischen physischen Gewalt vergangener Epochen versucht man nun mit der Beherrschung der Sprache Macht auszuüben. Eine totalitäre Sprachhoheit wird von Menschen, die diese nicht so gekonnt beherrschen und an dieser nicht teilhaben, als eine aufoktroyierte Gewalt empfunden. Und ich glaube nicht, dass das ein besonders gesundes Verhältnis ist, wenn sich die akademische Kunstwelt anmaßt, den Rest der Gesellschaft zu belehren. …

Mica: Kommen wir noch einmal zurück zum Stückemblemata sonantes, das in den nächsten Tagen in Wien am Heldenplatz in einem Pavillon stündlich zu hören ist.
Klaus Lang:
Die eigentliche Uraufführung des Stückes wird im Herbst im Rahmen des steirischen herbsts beim musikprotokoll stattfinden. Das Schloss Eggenberg in der Steiermark feiert heuer sein 250-jähriges Bestehen. Das ist der Inhalt der steirischen Landesschau. Im Schloss Eggenberg gibt es eine große Ausstellung über die Geschichte des Fürstenschlosses und als ein Teil dieser Ausstellung gibt es auch als zeitgenössische Position Pavillons, die im Park stehen werden. ... Die Textur ist zum Beispiel wie das Schloss nach den vier Jahreszeiten ausgerichtet.

DrehPunktKultur dankt seinem Kooperationspartner Mica Austria. Das gesamte Interview ist nachzulesen auf – www.musicaustria.at 
Über die Steiermark-Pavillons am Wiener Heldenplatz – www.museum-joanneum.at
Bilder: mica / Markus Sepperer; dpk-klaba