Ende und Anfang
KULTURVEREINIGUNG / MOZARTEUMORCHESTER / GONZÁLES-MONJAS
19/12/24 Bereits im Jahr 1 nach Eröffnung des Großen Festspielhauses 1960 präsentierte die Kulturvereinigung dort Beethovens Neunte. Anno 1967, danach zum Zwanziger und weitere dreißig Jahre später zum Fünfziger spielte das Mozarteumorchester. Chefdirigent Robert Gonzáles-Monjas knüpft an die Beethoven-Tradition an – mit dem Bachchor Salzburg und einem exquisiten Vokalquartett.
Von Horst Reischenböck
Die legendäre Sinfonie d-Moll op. 125 war und ist – nicht nur von den Dimensionen, sondern auch vom innewohnenden Konzept her – ein ausladender Wurf. Vom leider viel zu früh verstorbenen Dirigenten Ferenc Fricsay stammt die Aussage: „Beethoven machte bereits den ersten Schritt zu Literatur und Programm.“ Das veranlasste die Nachwelt, gerade des Chorfinales wegen, lange Zeit zu Disputen pro und contra: Nicht zuletzt Richard Wagner, der damit für sich den Beweis für das Ende rein instrumentaler Kreativität als erbracht sah. Beethoven, dessen Tauftag (Geburtstag wissen wir nicht fix) am 17. Dezember 1770 übrigens erst drei Tage zurück liegt, sprengte Grenzen. Vorerst im Genre des Klavierkonzerts mit der „Chorfantasie“ für Klavier, Chor und Orchester.
Sprengkraft hatte aber vor allem seine überbordende, damalige Ausführende bis an ihre Grenzen fordernde Auslegung der Ode an die Freude von Friedrich Schiller. Deren Vertonung stellte er zudem drei nach wie vor nicht weniger anspruchsvolle und durchwachsene Orchestersätze voran.
Exemplarisch interpretierte Roberto Gonzáles-Monjas am Mittwoch (19.12.), der ersten von drei Aufführungen im Großen Festspielhaus, das Monumentalwerk: Begeisternd ab dem ersten Akkord in den Kopfsatz und jenen wesenlos leeren Quinten, wie sie sich später der diesjährige Jahresregent Anton Bruckner zum Vorbild und Ausgangspunkt nehmen sollte. Zitternd voll Energie entwickelte das rechtens dazu in Großbesetzung angetretene Mozarteumorchester (deren einer Teil erst jüngst von einer Deutschland-Tournee mit Mozart und Wagner zurückgekehrt war) aus dem Allegro ma non tanto die unentwegt in Ausweglosigkeit führende kämpferische Attacke. Nach diesem brutalen Einstieg nahm Gonzáles-Monjas im Vergleich zu anderen Kollegen Beethoven einmal beim Wort: Vom Paukisten hämmernd akzentuiert, billigte er dem ohnedies nicht scherzendem Molto vivace jede Wiederholung zu. In Summe eine intensiv dramatisch ausgereizt erste halbe Stunde, die noch im kontrastierenden lyrisch und kantabel gespielten dritten Satz aufgelockert nachschwang.
Als krönender Schlusspunkt dann die abschließende Kantate. Als Reminiszenz an das machtvoll tönende Vorangegangene mahnte der Sänger Theodor Platt mit fundamentalem Bariton voluminös zu „anderen Tönen“. Textverständlich und Wortdeutliche folgenten wirkungsvoll der Bachchor Salzburg (die Männer zu beiden Seiten von den Damen flankiert). Das Solistenquartett: Die Altistin Štěpànka Pučálková ist von Festspielauftritten her bekannt, sie wurde der Stiftung Mozarteum mit der Lilli Lehmamm-Medaille bedacht. Der helle Tenor von Matteo Ivan Rašić rief die „Brüder“ zum Janitscharen-Marsch auf. Die Sopranistin Christina Landshamer, die Salzburg bereits unter Sir Simon Rattle bereicherte, überstrahlte schwerelos Alle und Alles in der geforderten extremen Höhe. Nach dem furios ausgespielten letzten Prestissimo war nach gut sechzig Minuten Spielzeit die begeisterte Zustimmung des Publikums einhellig. Ein würdiger Abschluss des Konzertgeschehen dieses Jahres, wert, sich heute und morgen drauf zu freuen!
Beethoven 9 – zwei weitere Aufführungen im Großen Festspielhaus heute Donnerstag (19.12.) und morgen Freitag (20.12.) – www.kulturvereinigung.com
Bilder: SKV / EbiharaP hotography