Dem lieben Gott ins Stammbuch geschrieben
STIFTUNG MOZARTEUM / MOZART-REQUIEM
06/12/24 Die Bude ist voll, wenn an Mozarts Todestag – es war diesmal der 233. – im Großen Saal des Mozarteums das Requiem erklingt. Lieb gewordene Gewohnheit? An diesem Donnerstag (5.12.) war es eine höchst erfrischende Begegnung, weil Jane Glover, eine sehr fordernde Dirigentin aus den Vereinigten Staaten, am Pult stand.
Von Reinhard Kriechbaum
Wie oft mögen der Salzburger Bachchor das Werk gesungen, die Camerata es gespielt haben? Da ist es dann schon sehr bemerkenswert, wenn eine Aufführung meilenweit weg ist von aller Routine. Dame Jane Glover ist hierzulande nicht so bekannt. Die vorwiegend in den USA tätige Britin ist eine Grenzgängerin, die auch an der MET dirigiert und Konzerte mit dem New York Philharmonic oder dem Cleveland Orchestra gibt, in Chicago aber einem Barockensemble vorsteht. Also eine Dirigentin, die sich drauf versteht, aufführungspraktische Informiertheit auch einem auf modernen Instrumenten spielenden Orchester nahe zu bringen.
Kein Vibrato hat man da vernommen, dafür eine akkurat „angriffige“ Energie in den Streichern, die sogar bestvertraute lyrische Passagen in neuem Licht hat erscheinen lassen. Jane Glover übermittelt sehr genaue Klangvorstellungen, in denen nicht zuletzt den Naturtrompeten und eng mensurierten Posaunen sowie den mit harten Schlägeln bedienten Pauken entscheidende Funktion zukamen. Da hat man nicht nur im ersten Dies irae-Satz unwillkürlich den Kopf eingezogen. Fast zweifelte man daran, wie das Höllentempo am Ende je einzufangen wäre... Überrumpelndes Temperament prägte auch die Kyrie-Fuge. Besonderes Kompliment dem von benjamin hartmann einstudierten Bachchor für die gestochen scharfen Koloraturen. Und a propos gestochen: So einschneidend scharf, wie Jane Glover im Requiem aeternam die Geigen ihre Synkopen ausführen ließ, bekam dieser Satz ebenfalls einen ungewohnt herben Charakter.
Kein falsches Sentiment im solistischen Recordare, alles „klar auf Linie“. Und wieder gestochene Schärfe, wenn der Chor im ersten Teil des Offertoriums sein Quam olim Abrahae promisisti erst ganz unaufdringlich „swingend“ einführt, aber dann im Hostias mit tatkräftiger Geigen-Unterstützung denselben Text mit forderndem Nachdruck formuliert: Das einstige Versprechen der Erlösung dem lieben Gott ins Stammbuch geschrieben! Da steckte also auch viel Textinterpretation drin.
Originell individualisiert das Solistenquartett, aufbauend auf der wirklich rabenschwarzen Basstimme von Michael Sumuel, dem metallen sich einführenden Tenor Jonah Soskins, der die Lyrismen ganz schlank entfaltenden Altistin Paula Murrihy und der schlank-linig sich einbringenden Hanna-Elisabeth Müller (Sopran) – wie durch ein Wunder dann doch ein homogenes Ensemble.
Die Geigerin Julia Schröder, im „Hauptberuf“ Konzertmeisterin und Leiterin des Kammerorchesters Basel, saß im Requiem am ersten Pult und spielte zuvor den überaus dankbaren Solopart in dem Violinkonzert Dark with Excessive Bright von der 1980 geborenen New Yorkerin Missy Mazzoli. Dunkel mit übermäßiger Helligkeit? Die Formulierung stammt aus John Miltons Paradise Lost, der literarische Bezug ist nicht überzubewerten. Vor allem ist es ein Kräftemessen zwischen Solovioline und dem oft oszillierend schimmernden Streichorchester, in dem scheinbar süffige Harmonik nachhaltig irritiert wird durch Verrückungen in kleinsten Tonschritten. Denen nach zu lauschen macht den eigentlichen Reiz aus in diesem süffigen Stück, das der Solistin nicht einen Moment Pause gewährt. Sehr spannende zwanzig Minuten. Auch diese Musik hat Jane Glover in den Spannungslinien souverän vorgezeichnet.