Zorn statt Tränen gegen den Krieg

ASPEKTE / OPER / URAUFFÜHRUNG / HOSSAM MAHMOUD

06/03/24 Desprez Palestrina Vivaldi Rossini Haydn Dvořák Penderecki Pärt Nystedt Rihm – und über allem beinah natürlich Pergolesi – und erst voriges Jahr Lucio Mosè Benaglia. Sie alle und gut 57 weitere Komponisten haben das Stabat Mater vertont. Stabat Mater dolorosa, wohlgemerkt. Hossam Mahmoud komponierte ein Stabat Mater Furiosa. Uraufführung ist bei den Aspekten.

Von Heidemarie Klabacher

In dem siebenhundert Jahre alten lateinischen Gedicht beobachtet ein lyrisches Ich die leidende Gottesmutter unter dem Kreuz Jesu. Dieses lyrische Ich, ganz sicher ein Mann, will Anteil nehmen an Marias Schmerz, bittet sie, ihr Leid zu teilen und seine Seele mitzunehmen ins Paradies. Sehr fromm, sehr katholisch, wunderschön. Allein der Text in seinen diversen Fassungen. Von Pergolesi & Co ganz zu schweigen.

Nun schrieb Hossam Mahmoud – im Auftrag der Aspekte – ein szenisches Stabat Mater. Aber eben nich „dolorosa – schmerzerfüllt“ sondern „furiosa – zornerfüllt“. Hossam Mahmoud vertonte denn auch nicht das mittelalterliche, sondern ein brandneues Gedicht: Jean-Pierre Siméon, einer der führenden Vertreter der französischen Gegenwartslsyrik, schrieb Stabat Mater furiosa 1997 „während einer Reise durch den vom Krieg gezeichneten Libanon“.

Auch er beobachtet und beschreibt eine leidende Frau. Diese aber schreit ihr Leid hinaus als zornige Anklage einer Mutter gegen Gewalt, Kriege und alle Gräuel der Vergangenheit und der Zukunft. „Wütende Mutter, wütende Schwester, wütende Tochter – eine Frau, die sich weigert zu verstehen, denn Verstehen ist bereits Verrat“, hieß es im Falter-Verlages über die bereits 2015 im Secession Verlag erschienene und mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnete Übersetzung durch Daniel Gerzenberg: „70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs sind die Wunden noch längst nicht verheilt. Und immer noch folgt ein Krieg auf den nächsten, auch in Europa, das wieder zum Schauplatz von Terror geworden ist, von Massendemonstrationen und Fremdenhass. Gerade das macht diese Gegenstimme des französischen Autors so notwendig.“ 2024 mehr denn je...

Hossam Mahmoud szenischer Monolog für Sopran, 3 Frauenstimmen, Frauenchor und Orchester basiert auf dem Libretto von Christian Ollivier nach dem gleichnamigen Text also von Jean-Pierre Siméon. „In seiner Komposition vervielfältigt Hossam Mahmoud diese Stimme, erhebt sie über das ursprünglich aktuelle Wutgedicht in einen universellen Aufschrei einer alle Generationen übergreifenden und alle Mütter in sich vereinigenden Frau“, so die Aspekte.

Die Oper ist eine Koproduktion der Aspekte mit der Universität Mozarteum. Uraufführung ist am Donnerstag (7.3.) im Max Schlereth-Saal der Universität Mozarteum. Die musikalische Leitung des Instrumentalensembles hat Kai Röhrig, die Chorleitung Giorgio Musolesi. Für Regie und Bühnenbild zeichnet Rosamund Gilmore. Die Frauenstimmen sind der drei Absolventinnen des Thomas-Bernhard-Instituts Annalisa Hohl, Darka Mavlenko und Mariia Tkachenko sowie der Sopranistin Jenifer Lary.

Die Aspekte 2024 werden heute Mittwoch (6.3.) eröffnet – Stabat Mater furiosa – hat Premiere am Donnerstag (7.3.), eine weitere Aufführung folgt am Samstag (9.3.) im Max Schlereth Saal – aspekte-salzburg.com
Bild: Aspekte / Wolfgang Kirchner (2); Marion Kalter (1)