Als Pianist einer der Gefragtesten seiner Zeit

JOSEPH WOELFL / 250. GEBURTSTAG

22/11/23 Er war ein echtes Christkindl: Am 24. Dezember 1773, vor 250 Jahren, ist Joseph Johann Baptist Woelfl in Salzburg geboren worden. In jenem kleinen Haus rechts von der Festungsbahn-Talstation, wo damals Michael Haydn wohnte. Wölfl hieß er. Die Schreibweise mit -oe- nutzte er ab 1790, als er seine grandiose internationale Karriere startete.

Von Reinhard Kriechbaum

In England reden Pianisten auch heute noch vom Woelfl-Jump: Die rechte Hand macht tollkühne Sechzehntel-Sprünge über anderthalb Oktaven und mehr, so wie es später Franz Liszt in seiner Etüde La campanella verlangte. Der Bescheidenen einer war er nicht, seiner Klaviersonate op. 41 – in dem die rechte Hand wie später bei Liszt rasend dahinhüpft – hat er den Namen Non plus ultra gegeben. Den Zeitgenossen galt er als der Klaviervirtuose schlechthin. Seine Méthode de Pianoforte ist ein pianistisches Lehrwerk, auf der in England eine ganze Klavierschule aufbaute. Es gebe wohl „in ganz England keinen Haushalt, in dem nicht auf dem Klavier ein Werk Woelfls liege“, hieß es in einem Nachruf nach Woelfls frühem Tod 1812 in London.

Salzburg also zuerst. Eine Ausbildung, wie sie normal war für ein Kind, das durch musikalisches Talent aufgefallen ist (Woelfl trat bereits als siebenjähriger Knabe öffentlich als Geigensolist auf). Er wurde ins Kapellhaus, der Schule für die Domsängerknaben, aufgenommen. Michael Haydn und Leopold Mozart waren seine Lehrer. 1786 schied Woelfl aus dem Kapellhaus aus, nahm aber weiter Privatunterricht bei Leopold Mozart bis zu dessen Tod 1787

Von 1786 bis 1788 studierte er an der Benediktineruniversität Salzburg. Dann klafft eine biographische Lücke, jedenfalls war er schon ein toller Pianist, als er sich 1790 in Wien bei Wolfgang Amadeus Mozart vorstellte. Der empfahl den jungen Kollegen einem polnischen Fürsten als Klavierlehrer. In Warschau bastelte Woelfl schon emsig an seinem Fortkommen, mit einem beträchtlichen Vermögen kehrte der junge Musiker nach der Polnischen Teilung 1795 nach Wien zurück.

Für Emanuel Schikaneder und dessen Theater auf der Wieden, auch für die k.k. Hoftheater nächst der Burg und am Kärntnertor komponierte er in der Folgezeit einige Singspiele. Mit Beethoven hat er sich mehrmals im Improvisieren auf dem Klavier gemessen. „Beide an zwei Pianoforte, improvisirten wechselweise über gegenseitig sich angegebene Themas und schufen also gar manches vierhändige Capriccio, welches, hätte es im Augenblick der Geburt zu Papier gebracht werden können, sicherlich der Vergänglichkeit getrotzt haben würde.“ So das anerkennende Urteil eines kundigen Zeitgenossen.

Für Verblüffung der Zuhörer und Kollegenschaft war Woelfl immer gut: In Dresden spielte er sein Konzert in C-Dur spontan in Cis-Dur, obwohl es zu dieser Zeit als eines der technisch anspruchsvollsten galt, weil der Klavierstimmer das um einen halben Ton zu tief stehende Instrument nicht mehr rechtzeitig hatte umstimmen können.

Zwischen 1798 und 1801 ist Woelfl als Virtuose viel herumgereist, dann ließ er sich in Paris nieder, schrieb Klavierwerke und sogar Opern. Vier Jahre später, 1805, übersiedelte er nach London und wurde eine der schillerndsten Persönlichkeiten im Musikleben dort. Konzertveranstalter (unter anderem der aus der Haydn-Biographie bekannte Johann Peter Salomon) rissen sich um ihn, Woelfl trat im Opernhaus Covent Garden, in Hyde’s Room in den Hanover Square Rooms sowie im King’s Theatre auf, wo ihm der höchst ehrenhafte Auftrag zuteilwurde, das Fest-Ballett Naval Victory or Triumph of Lord Nelson anlässlich des Sieges bei Trafalgar zu komponieren.

Bis zu drei Konzerte wöchentlich gab Woelfl, er komponierte emsig (viele Werke, auch Symphonien, sind bei Breitkopf & Härtel erschienen). Er wusste sich in Szene zu setzen. Auf der Orgel des Großen Konzertsaals des King’s Theatre spielte er gar Mozarts Zauberflöten-Ouvertüre. Seine Einkünfte sollen höher gewesen sein als jene von Mozart, Haydn und Beethoven zusammengezählt.

Nicht nur für Klavier hat er komponiert: Woelfls profunde geigerische Ausbildung bei Leopold Mozart prädestinierte ihn auch für Kammermusik mit Streichern. Auch den Geigern verlangte er viel ab, notierte sogar Fingersätze. Noch Jahrzehnte nach seinem Tod mit nur 39 Jahren in London wurden Woelfls Werke nachgedruckt, noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts: sechzig Klaviersonaten, 33 Sonaten für Violine und Klavier, 21 Klaviertrios, sieben Klavierkonzerte, fünfzehn Streichquartette... Die 2011 gegründete Internationale Joseph Woelfl-Gesellschaft Wien hat eine Gesamtausgabe der Werke Woelfls auf sechzig Bände angelegt. Auch in Bonn gibt es eine Joseph-Woelfl-Gesellschaft.

Der rumänische Musikwissenschafter Eusebius Mandyczewski schrieb 1898 in einem biographischen Lexikon, Woelfl „componirte mit großer Leichtigkeit, mit unbedingter Sicherheit in der Behandlung der Form, und für die kurze Zeit seines Lebens erstaunlich viel“. Die „virtuose Seite seiner Clavierwerke“ habe diesen „unter allen übrigen die längste Lebensdauer gesichert. Als aber die Virtuosität neue Bahnen einschlug, wurden auch sie bei Seite gelegt.“

Immerhin: Eine Joseph-Wölfl-Straße gibt es in Salzburg, etwas entlegen in Morzg, am südöstlichen Ende des Kommunalfriedhofs. Und eine Gedenktafel am Haus Festungsgasse 4. Heuer im Mai fand in Straßwalchen, wo Woelfls Vorfahren her stammten, der erste Teil eines wissenschftlichen Symposions statt, das Anfang Dezember in Bonn fortgesetzt wurde.

Bilder: Wikimedia