Aus Wien und aus Theresienstadt

SOMMERAKADEMIE / PETER LANG

21/07/10 Die Salzburger Festspiele haben noch nicht begonnen, aber Konzerte auf Festspielniveau gibt es auch außerhalb dieses Rahmens. Beim Klavierabend mit Peter Lang am Dienstag (20.7.) im Solitär war das der Fall.

Von Karl Winkler

Wie gewohnt hat Lang ein sorgfältig durchdachtes Programm zusammengestellt. Und groß war die Freude darüber, dass die Ausführung das Konzept voll und ganz erfüllt hat. Von Schubert über Brahms und Schönberg reichte der Bogen bis zur letzten Klaviersonate Viktor Ullmanns.

Erst in den vergangenen zwei Jahrzehnten ist der 1898 in Teschen (damals Österreichisch-Schlesien) geborene Viktor Ullmann wieder ins Bewusstsein der Musikfreunde zurückgekehrt. Dabei war er bis zu seinem Abtransport nach Theresienstadt durchaus kein Unbekannter, seine Werke wurden in Europa und Amerika aufgeführt. Seine 7. und letzte Klaviersonate hat er in Theresienstadt im August 1944 beendet, zwei Monate danach wurde er nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Diese 7. Sonate zeigt eine überaus persönliche Handschrift. Sie ist trotz gelegentlicher Widerborstigkeiten eingängig, voll blühenden Klanges, melodisch eigenwillig ohne zu brüskieren. Und sie wirkt über weite Strecken von Optimismus und Lebensbejahung getragen. Im zweiten Satz "Alla marcia" allerdings wandelt sich der zierliche Beginn in Peter Langs Interpretation bald zu einer Härte, die Leere hinterlässt. Die Schatten des Marsches liegen noch über dem folgenden Adagio, dessen nachdenkliche Einsamkeit durch grelle Akzente aufgebrochen wird. Diese Blitze fahren auch in das Allegretto grazioso des Scherzos hinein, in dem sich doch auch noch ein Walzer durchzusetzen versucht. Mit melancholischem Klang hat der Pianist den Beginn des fünften Satzes abgetönt, ein hebräisches Volkslied, aus dem eine Sehnsucht spricht, die sich nicht erfüllen sollte. Mit wachsender Bestimmtheit taucht die Melodie aus den folgenden Variationen auf und mündet in eine mächtige Fuge.

Am sanftesten dargestellt hat der glänzend disponierte Pianist die Drei Klavierstücke op.11 von Arnold Schönberg. Ohne je an Klarheit einzubüßen, hat er hier gezeigt, dass er die Tasten auch "streicheln" kann. Schönbergs Stücke sind eigensinnig, aber nicht von so knorrigem Humor wie jene letzten Klavierstücke op.119, die Johannes Brahms 1893 herausgegeben hat. Mit höchster Klarheit hat uns Peter Lang mitten in die Labyrinthe des harmonisch und rhythmisch so raffinierten späten Brahms hineinversetzt, in eine Welt voller Überraschungen und kauzigem Witz. So gespielt sind diese Intermezzi ganz weit entfernt von Milde oder Altersweisheit.

Ein Künstler dieses Kalibers vermag natürlich auch der ausladenden Sonate in a-Moll von Franz Schubert alles zu geben, was sie fordert. Rhythmisch akzentuiert, hart mit abgerundeten Kanten, so stieg er ins Moderato des ersten Satzes ein. Die Durchführung wurde zu einem Suchen, einem Entgleisen aus dem klassischen Schema. Im Andante poco mosso mit seinen Ausbrüchen und seinem Klangzauber wäre man gern noch länger verweilt. Keine Linie und keine Verzierung ging verloren, um jeden Ton in der schmerzlichen Fülle war der Pianist besorgt. Und viele kleine Rinnsale verbanden sich im Schlussrondo zu einem reißenden Fluss.

Den sehr herzlichen Applaus beantwortete Peter Lang mit einem kleinen Zugabenreigen. Darunter der Beginn jener Sonate, die Mozart für Anfänger gedacht hatte. In diesem Tempo und dabei mit einer solchen tonlichen Raffinesse spielt sie freilich nur der Meister.

Bild: peter.lang.at