Klangtheater für Bläser
SOLITÄR / OENM
03/05/10 Ensemble-Mitglieder hinterlassen im neuen Zyklus des oenm ihre „fingerprints“, das soll heißen, sie gestalten Programme. Die Flötistin Irmgard Messin und der Klarinettist Theodor Burkali haben für das erste Konzert am Sonntag (2.5.) die moderne Bläserliteratur durchforstet, sind dabei auf viel Virtuosität gestoßen – und auf viel „geheimes Theater“.Von Paul Kornbeck
Am Beginn des von Franck Ollu kompetent und anfeuernd geleiteten Konzerts stand ein Stück eines der Mitwirkenden: „Ludi“, 3 Spiele für Bläserensemble von Theodor Burkali. Der ist ein fantasievoller und technisch versierter Komponist, greift ungeniert in die Traditionskiste und mixt aus alten und neuen Klängen, aus Minimalismus, Rhythmus und Geräuschhaftem einen genussvollen Cocktail. Auf zwei beschwingt motorische Spiele folgt ein Flug durch den Wirbelsturm, der gleichsam in den Klangwelten der Neuen Musik landet.
„Linaia-Agon“, der Kampf zwischen Gott Apollon und Mensch Linos, geht bei Iannis Xenakis eher unentschieden aus. Das ist natürlich Musik von archaischer Kraft und Eindringlichkeit, obwohl man sich mitunter bei der Hoffnung auf ein baldiges Ende ertappt. Das die nicht ganz zufälligen Eruptionen der drei Instrumente doch immer wieder spannend wurden, ist den famosen Interpreten zu verdanken. Josef Steinböck mit seiner Tuba und der Hornist Zoltán Mácsai verkörperten nicht nur akustisch ideal die kraftvoll erdige und die fanfarenhaft strahlende Seite des Gottes, gegen die Dusan Kranjc mit seiner Posaune wahrhaft heldenhaft ankämpfte.
Der Brite Gwyn Pritchard war anwesend und durfte sich über die perfekte Interpretation seine Duos für Flöte und Klarinette „Janus“ freuen. Das ist höchst unterhaltsam, brillant und hinreißend virtuos komponiert. Irmgard Messin und Andreas Schablas waren mit jeweils drei ihrer Instrumente nicht nur schwer beschäftigt, sondern vermochten die Klangkaskaden auch pointiert und spielerisch zu formulieren. Darauf folgte vor der Pause leider nur ein Satz des zweisätzigen Bläserquintetts von Isang Yun. Impressionistische Kirschblüten-Malerei aus Fernost? Schon auch, aber vor allem wahrhafte, humane, zeitlose und in jedem Takt große Musik.
Nach der Pause wurde es laut. Harrison Birtwistles „Verses for Ensembles“ zeigten mitunter die akustischen Schmerzgrenzen des Solitärs auf – so feinfühlig konnte Franck Ollu gar nicht dirigieren, um nicht mitunter arge Knallerei zu erzeugen. Dies ist freilich das erste und gleich ein Meisterstück aus der Reihe von Birtwistles „secret theatre“-Piecen für den Konzertsaal und frisch wie am ersten Tag, obwohl auch schon wieder über 40 Jahre alt. Und nicht so „sophisticated“ trocken wie manches folgende Werk des Komponisten. Die von drei Schlagzeugern tatkräftig unterstützten oenm-Bläser spielten mit Leib und Seele und wanderten noch dazu am Podium herum. Viel Applaus, den man ohne weiteres mit „Pomp and Circumstance“ hätte belohnen können.