Jede Menge an Zeit

CD-KRITIK / GUSTAV MAHLER JUGENDORCHESTER / BEN GERNON

14/08/14 Seit die Salzburger Festspielen mit Sponsor Nestlé einen Preis für Nachwuchsdirigenten ausloben, präsentieren sie den Gewinner alljährlich auch mit einer eigenen CD-Dokumentation. Aus dem Sommer 2013 liegt nun die damals von Ben Gernon in der Felsenreitschule dirigierte Fünfte Sinfonie von Sergei Prokofiev vor.

Von Horst Reischenböck

Ein einziges Mal war es kein Festspielauftritt: Mirga Gražinytė-Tyla, ab der kommenden Spielzeit am hiesigen Landestheater als Chefdirigentin unter Vertrag, wurde mit ihrem Wettbewerbskonzert vom April 2012 zusammen mit der Camerata Salzburg dokumentiert. In allen anderen Fällen handelte es sich dabei stets um ORF-Mitschnitte mit dem einst von Claudio Abbado gegründeten Gustav Mahler Jugendorchester im Festspielsommer. David Afkham suchte sich 2010 die Sinfonie Nr. 10 von Dmitri Schostakowisch aus (damals noch vom Label ORFEO verlegt), ein Jahr danach folgte Ainārs Rubikis mit Igor Strawinskys „Feuervogel“ als Hauptwerk.

Nun also der einst von Sir Colin Davis protegierte junge Brite Ben Gernon. Unterdessen schreitet seine internationalen Karriere in Japan, Canada, Dänemark, Japan, Schweiz und den USA voran. Am 6. und 8. März nächsten Jahres wird er Abonnementkonzerte der Camerata in Salzburg dirigieren.

Prokofiev folgte in der 1944 entstandenen „Fünften“ der vom klassischen Ur-Vorbild Joseph Haydn in frühen Tagen gepflegten Anlehnung an die alte barocke Sonata da chiesa. Anstelle eines feurigen Eröffnungssatzes steht ein ausgedehnt elegisches Andante, dessen erste elf Takte das gesamte Material des Werks enthalten. In große dynamische Steigerung geführt, werden dennoch keine Gedanken an ein Kriegsopus beschworen. Um das auszubreiten, ließ sich Ben Gernon auch jede Menge an Zeit. Wie er denn überhaupt eher dem epischen Gehalt Vorrang gewährte, was sich auch daran beweisen lässt, dass er im Vergleich etwa zu Mariss Jansons 25 Jahre zuvor – immerhin mit der Leningrader Philharmonie – die Zielgerade insgesamt erst fünfeinhalb Minuten später erreichte.

Davon kündet auch Ben Gernons Sicht auf das nachfolgende, kontrastierend elektrisierend tänzerisch gehaltene Allegro marcato, speziell in der exzessiv nachhaltig langsam genommenen Einleitung zur Wiederholung des Hauptteils. Prokofiev, der einmal notiertes Material nie verkommen ließ, ließ neuesten Forschungen nach in diesen Satz Ideen zu einem letztendlich doch nicht verwirktlichten, positiven Ende seines Balletts „Romeo und Julia“ einfließen. Das kann man dem (englischsprachigen) Kommentar im Booklet entnehmen.

Wie klangschön und willig darin Gernons Taktstock folgend das Gustav Mahler Orchester die Lyrismen des Adagios an dritter Stelle inklusive seiner Trauermarsch-Ausbrüche durch all seine Instrumentalgruppen hindurch differenziert auskostet und danach genauso das den Tempo-Zusatz „giocoso“ ironisch brechende Finale, in dem das Hauptthema des Kopfsatzes in den vierfach geteilten Celli wieder auftaucht: Dass man dies so genussvoll nachhören kann ist nicht zuletzt Verdienst der ausgezeichneten Aufnahmeleitung dieses Live-Ereignisses vom 17. August 2013 durch Hannes Eichmann.

Sergei Prokofiev: Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 100. Gustav Mahler Jugendorchester, Dirigent Ben Gernon. Salzburger Festspieldokumente CD SF 022

Der diesjährige Preisträger des Young Conductor’s Award ist Maxime Pascal, das Preisträgerkonzert findet am kommenden Sonntag (17.8.) um 11 Uhr in der Felsenreitschule statt. Auf dem Programm „La Mer“ von Debussy, „Poème de l’amour et de la mer“ von Ernest Chausson und „Der Feuervogel“ von Igor Strawinsky. – http://www.salzburgerfestspiele.at/das-programm/konzert/konzert-detail/programid/5015