Ein Strauß von Strauss-Liedern

CD-KRITIK / THOMAS HAMPSON / MARTIN RIEGER

16/04/14 Normalerweise ergänzen Lieder von Richard Strauss die Programme von Liederabenden - zumeist von Sängerinnen. Rechtzeitig zum Jubeljahr suchte und fand Thomas Hampson begleitet von Wolfram Rieger unbekannte Schätze – gebündelt zu einem jüngst erschienenen Recital.

Von Horst Reischenböck

Richard Strauss hinterließ nicht weniger als 220 Lieder. Manches ist immerhin Insidern bekannt, wie beispielsweise der gegen Verleger und Agenten gerichtete „Krämerspiegel“. Anderes ist weniger geläufig, aber durchaus wert, ins Gedächtnis gerufen zu werden. Dieser Aufgabe hat sich Thomas Hampson – der bei den Osterfestspielen dieser Tage den Mandryka in der „Arabella“ singt – gewidmet. Das Album zum 150. Geburtstag von Richard Strauss ist brandaktuell, die letzten Aufnahmen entstanden erst im Jänner dieses Jahres.

Thomas Hampson, der schon in der Vergangenheit, etwa während der Salzburger Festspiele mit „I hear America singing“ oder „Dvořák und seine Zeit“ spannende Gedanken verfolgte, bündelte hier in chronologischer Folge ihrer Entstehung nach 18 Lieder rund um das zentrale Motto „Notturno“.

Das Titel gebende Werk, Strauss' ausgedehntes op. 44/1, war 1899 ein Inbegriff der Moderne. Es basiert auf einen Text von Richard Dehmel, jenem Dichter, der zeitgleich Arnold Schönberg zu seinem Opus 4 „Verklärte Nacht“ inspirierte. Richard Strauss beschwört expressionistisch 14 Minuten lang das unheimliche Bild des geigenden Todes, der sich auf der CD mit dem Solisten Daniel Hope als Gast einschleicht. Dazu passen „Ruhe, meine Seele“ op. 27/1 oder „Traum durch die Dämmerung“ op. 29/1.

Eine insgesamt klug ausgedachte Zusammenstellung, die zugleich Strauss' kompositorische Entwicklung von 1885 bis 1935 aufzeigt. Den Auftakt geben Hampson und Rieger mit der normalerweise gerne als Zugabe auf Liederabend-Programme nachgereichten „Zueignung“ op. 10/1, die Hampson hier eher zurückhaltend denn auftrumpfend gestaltet. Der Reigen schließt sich mit dem späten Lied „Im Sonnenschein“ op. 87/4. Manches Frühe weckt Erinnerungen an Vorbilder wie Franz Schubert („Die Nacht“ op. 10/3) oder Hugo Wolf („Ach weh mir unglückhaftem Mann“ op. 21/4).

In allen Fällen spielt Hampson sein prächtiges baritonales Timbre aus – zusammen mit der für ihn typischen Wortverständlichkeit, die ein Mitlesen der Texte erübrigt.

Der Pianist Wolfram Rieger, der auch schon in Salzburg schon Partner von Thomas Hampson gewesen ist, assistiert am Steinway als einfühlsam einstimmender Mitgestalter. Was auf der CD und im Booklett allerdings fehlt, ist der Name des Trompeters, der sich im Hintergrund zum Auftritt der „Heiligen drei Könige aus dem Morgenland“ op. 56/6 gesellt. Sein Part stammt aus der Orchesterversion des bekannten Liedes. Dieser anonyme Künstler lässt zusätzlich aufhorchen.

„Lieder von Richard Strauss“ also: Eine nicht bloß aus den momentanem Blickwinkel des Strauss-Jahres heraus betrachtet geglückte CD, mit dem angenehmen Nebeneffekt, die Kenntnis von Strauss' Schaffen positiv zu erweitern.

Notturno. Lieder von Richard Strauss. Thomas Hampson, Bariton, Wolfram Riegler, Klavier und Daniel Hope, Violine. DGG 479 2943 - http://www.deutschegrammophon.com/de/cat/4792943