Des alten Bachs Vorzeigeschüler

CD-KRITIK / JOHANN LUDWIG KREBS

24/12/13 Die Orgelwerke nehmen elf CDs in Anspruch, das Orchester- und Kantatenwerk vier. Johann Ludwig Krebs (1713-1780) ist eben nicht zu Unrecht als Orgelmeister in die Musikgeschichte eingegangen. Sein 300. Geburtstag jährte sich heuer. Ein wenig prominenter, aber nicht uninteressanter „Jahresregent“.

Von Reinhard Kriechbaum

043Wer neun Jahre unter den Fittichen des alten Bach zubrachte (als Thomaschüler in Leipzig), wer unter den Auspizien des Thomaskantors als „Lehrling“ zum Cembalisten im Bachschen Collegium Musicum aufstieg – dem war sozusagen der Weg zu den höheren Weihen im sächsisch/thüringischen Musikleben geebnet. Bach empfahl seinen Schüler als Privatmusiklehrer für die Frau des Literaten Johann Christoph Gottsched. Er war wohl wirklich der Erste im Schülerkreis damals.

Nicht, dass es karrieremäßig wie von selbst gelaufen wäre: Zwei Mal zog Johann Ludwig Krebs in den 1750er Jahren als Aspirant auf den Thomaskantor-Posten den Kürzeren. Aber handwerklich war Krebs, der die Bach-Schule quasi als Vorzeigeschüler absolviert hatte, wohl vorbereitet auf das, was da kommen sollte. Und das war ein ästhetischer Umbruch, der letztlich keinen Musik-Baustein auf dem anderen beließ.

Über Johann Ludwig Krebs kalauerte sein Lehrer Johann Sebastian, er habe „in seinem Bach einen einzigen Krebs gefangen“. Dieser ist mit einigem Selbstbewusstsein eingestiegen in den Beruf: Erst Organist an der Marienkirche in Zwickau, ward er 1742 als Organist für die Dresdner Frauenkirche (mit damals brandneuer Silbermann-Orgel) auserwählt. Aber diesen Job Posten hat der junge Mann kurzerhand ausgeschlagen. Dass er schließlich als Organist in Altenburg, wo am Hofe zu Sachsen-Gotha-Altenburg damals Georg Benda Kapellmeister war, hört man auch aus dem Instrumental- und Vokalschaffen von Krebs: Da war die alte Bach-Sprache bald abgelegt. Der empfindsame Stil war angesagt, die Neuerungen des Mannheimer Stils sprachen sich herum, und es mag zudem manche italienische Operntruppe des Wegs gekommen sein. Johann Ludwig Krebs ist zwar nie über sein engeres Wirkungsfeld hinausgekommen, aber er war in seiner Region eingebunden in die hofmusikalischen Netzwerke, also auf der Höhe der Zeit. An Neugier und Experimentierlust mangelte es ihm zudem nicht, wie man auf diesen vier CDs eigentlich Stück um Stück mitbekommt.

Man kann Einzelnes fast wahllos herausnehmen, um die Umbrüche der Epoche zu greifen: Da ist etwa die Kantate „Uns ist ein Kind geboren“, die im abschließenden Choral, mit seinen eingewobenen Trompetenakzenten, unmittelbar die Bach-Tradition nachklingen lässt. Völlig andere Töne in der Kantate „Gott fähret auf mit Jauchzen“, wo das Orchester einsteigt wie zu einem frühklassischen Symphoniesatz. Was fortschrittliche Töne angeht, ist die CD 2 vielleicht die aussagekräftigste: da steht am Anfang eine „Missa F-Dur“, zwölf ultra-knappe Musikminiaturen auf den Text des Kyrie und Gloria. In denen man sich manchmal hineinversetzt fühlt in die Lieblichkeit des klösterlich bayerisch/österreichischen Rokoko, aus dem Mozart unmittelbar herauswuchs. Das gilt übrigens auch für manchen Satz des Magnificat D-Dur (auf der CD 3). Und nochmal Mozart-Anklänge: Das halbstündige „Oratorio funebre“, das Krebs zum Tod der Habsburgerin Maria Josepha, Königin von Polen und Gemahlin Friedrich August II. von Sachsen schrieb, führt in die Welt der Oper.

In der Merseburger Hofmusik hat Michael Schönheit ein verlässliches Originalklangensemble, im Collegium Vocale Leipzig einen stets beweglichen und wortdeutlich artikulierenden Kammerchor zur Verfügung. Diese Ensembles und die Vokalsolisten (Gesine Adler, Britta Schwarz, Tobias Hunger, Tobias Berndt) haben sich im Lauf dieser Projektarbeit so recht eingefuchst haben in die kleinen Außergewöhnlichkeiten dieser Musik.

4-CD-Box „Johann Ludwig Krebs - Das Orchester- und Kantatenwerk“. Merseburger Hofmusik, Collegium Vocale Leipzig, Stefan Maas (Barocklaute), Markus Müller (Oboe), Michael Schönheit (Cembalo, Leitung). Querstand, VKJK 1306  www.krebs300.de