Friede in allen Sprachen damals

CD-KRITIK / PAZ, SALAM & SHALOM

13/02/12 Wir sind im 13. Jahrhundert, erleben eine Kultur-Begegnung zwischen den jüdischen Sephardim, dem arabischen Einfluss und dem christlichen Element, gesellschaftlich wie poetisch und musikalisch hochrangig verkörpert durch König Alfonso X. el Sabio (1221-1284).

Von Reinhard Kriechbaum

Es war eine der ganz wenigen Zeiten und Orte in der europäischen Geschichte, wo sich ein friedliches Nebeneinander zu einem konstruktiven Miteinander potenziert hat. Man begnügte sich nicht mit Dialogen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner – der größte gemeinsame Teiler war gefragt. Bald genug sollte ein streng und deutlich enger gefasster Katholizismus der konstruktiven Aufbruchstimmung in Musik, Literatur, Philosophie und Naturwissenschaft den Garaus machen.

Heutzutage beschäftigen sich viele mit dieser kurzen Epoche, als von „dunklem“ Mittelalter keine Rede war. Aus der Alten-Musik-Szene fallen einem nicht nur Montserrat Figueras und Jordi Savall ein. Dutzende Ensembles haben einschlägige Programme erarbeitet und dafür nicht selten auch Musiker aus dem arabischen Raum eingebunden. Wo, wenn nicht in dieser Epoche wären Perkussionisten und Oud-Spieler recht am Platz, wo drängte sich das Hereinholen orientalischer Musikpraktiken so selbstverständlich auf?

Canticum Novum unter der Leitung des Altisten Emmanuel Bardon bringen neben Oud (Laute) oder Kanun (einem orientalischen Zitherinstrument) ein Bandolim (eine brasilianische Mandoline) zum Einsatz und auch einen iranischen Kamancheh (ein Streichinstrument). Für gediegene Klanglichkeit ist also ist gesorgt. Alle Beteiligten haben genug Stilgefühl, dass die Sache nicht zu buntscheckig oder beliebig wird. Im Vokalen sorgen die die Sänger (neben Emmanuel Bardon die Sopranistin Barbara Kusa und der Bass Yves Beré) auch für das gebotene Sprachbewusstsein: Die sephardischen Lieder werden in Ladino (Judenspanisch) gesungen, in das arabische und spanische Wörter in etwa so hineingeraten sind wie mittel- und osteuropäische Begriffe ins zentraleuropäische Jiddisch. Galizisch-Portugiesisch ist hingegen die Sprache der „Cantigas de Santa Maria“ des weisen Königs Alfonso.

Malerisch, was die Musiker von Canticum Novum aus dem ja eher dürftigen notierten Notenmaterial entwickeln: viel Chroma, feine Verzierungen und Fiorituren der grundsätzlich einstimmigen Überlieferung. Über den Dauereinsatz der Schlaginstrumente könnte man streiten. Gelegentlich bekommen die Instrumente Freiräume für improvisatorische Einlagen, wie man das vom Jazz her kennt. Die Wegweiser stehen nicht auf historisch-hypothetische Engführung, sondern auf „weltmusikalische“ Weite. Was gezeigt werden soll – ein Ineinanderfließen der musikalischen Sprachen und Spielpraktiken – hat greifbare pädagogische Absicht. Vielleicht fällt es auch deshalb nicht ganz leicht, vorbehaltlos begeistert zu sein, eben weil diese stilistische Annäherung auch auf ein Einebnen der jeweiligen Eigenart hinausläuft. Charme hat die Sache aber, und die Political correctness gegenüber einem so ambitioniert kultur-verschränkenden Unternehmen verbietet natürlich die Bemerkung, dass man nach 75 Minuten eigentlich genug davon gehört hat.

Paz, Salam & Shalom. Eine musikalische Reise durch die jüdische, christliche und maurische Musikkultur des Mittelalters. Canticum Novum, Emmanuel Bardon. Paz, Salam & Shalom. Ambronay Editions (033) - www.jpc.de