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Ausblick auf eine beßre Welt

HÖRVERGNÜGEN / PETRENKO

28/05/21 Andreas Vogl präsentiert unseren Leserinnen und Lesern Lieblings-CDs aus allen Genres von der großen Oper zum intimen Lied. – Heute empfiehlt der CD-Händler Gustav Mahlers Siebte unter Kirill Petrenko auf dem neuem CD-Label der Bayerischen Staatsoper.

Von Andreas Vogl

Nun folgt also das nächste neue, hauseigene und dadurch unabhängigere Musik-Label eines Opern- und Konzertbetriebs: Die Bayerische Staatsoper/das Bayerische Staatsorchester und ihr Noch-Intendant Nikolaus Bachler präsentieren mit BSOrec ein starkes Zeichen auf dem schwierigen Tonträgermarkt. 

Viele Orchester und Opernhäuser haben es vorgemacht: Die Berliner Philharmoniker, das Concertgebouw in Amsterdam, das Opernhaus Zürich oder der Maggio Musicale in Florenz platzieren Veröffentlichungen aus Repertoirebetrieb und Archiv nicht mehr bei den weltmarkt-dominierenden „Majors“, sondern gehen dynamische Eigenwege.

Hausintern wird alles in sehr guter Qualität und mittlerweile unter einfachen Bedingungen mitgeschnitten und sowieso für den Streaming-Markt aufbereitet. Physische Tonträger sind nun repräsentative Merchandise-Artikel, präsentieren Programmschienen vom Orchesterkonzert über Kammermusik bis hin zum Kinder- und Jugendprogramm und folgenden stringent der Corporate Identity der Marketingabteilung. Vom Saisonprogramm bis zur CD – alles aus einem Guss.

Und was für ein edles Layout bietet die Münchner Staatsoper auch hier wieder! Die erste Veröffentlichung gilt dem scheidenden Musikdirektor und nunmehrigen Berliner Chefdirigenten Kirill Petrenko. Seine Aufnahme der Siebten Mahler präsentiert sich als Büchlein in leuchtendem karminrot mit silberner Schrift. Kein inszeniertes Künstlerfoto, Petrenko mag das ohnehin nicht, kein altmodischer Orchesterschnappschuss wie beispielsweise auf den eindimensionalen Covers der Wiener Neujahrskonzerte aus den letzten Jahren. Hier dominieren klare, ästhetische Linien!

Zum Inhalt: Mahlers Siebt, die letzte der sogenannten „Welten-Sinfonien“ 5, 6 und 7, ist die am seltensten aufgeführte und, ich muss es gestehen, auch jene seiner Sinfonien, die ich selbst am wenigsten „gut“ kenne. Dabei passt sie exakt in das welterklärende epochale Gesamtwerk des großen Komponisten.

Jede Sinfonie für sich ein Kosmos und dabei so nahe an seiner, eigentlich an unserer aller, Biographie orientiert. Nach der „Tragischen“ Sechsten ereilt Mahler während der Komposition der Siebten eine  Inspirations-Blockade, vor allem die Instrumentierung betreffend. Schlussendlich wird sie aber mit Hilfe von Alban Berg und Otto Klemperer fertig gestellt und 1908 in Prag in deren Beisein auch uraufgeführt. 

Das Nicht-mehr-Weiterwissen beschäftigt uns alle einmal. Besonders auch in der momentan Lage unserer Welt. Umnachtet von schweren Gedanken erwachsen wir durch Angst, Scheitern und mit Rückschlägen zu neuen Energien und erstehen, durchaus im zarathustrischen Sinne bei Nietzsche – Mahler beschäftigte sich intensiv mit dessen Philosophie – zu neuem Leben.

Doch, wie immer, muss Musik in ihrem Kontext gesehen werden. Und da ist diese Siebte auch ein Abbild der unergründlichen menschlichen Seele und einer Gesellschaft am Abgrund (1908). Das hört man in dieser Aufnahme erstaunlich unverblümt und klar. Der erste Satz eine klanggewordene Katastrophe. Schmerz, Angst, Trauer – alles, was Mahler in den Sinfonien davor versucht hat, auszudrücken, kumuliert hier. Durch die drei Mittelsätze, ein Scherzo und die beiden naturbeschwörenden „Nachtmusiken“ entsteht so etwas wie Heilung. Bis dann das brilliant spielende und bestens austarierte Bayerische Staatsorchester in einem fulminanten Schluss-Rondo Wagners Meistersinger-Ouvertüre persifliert und das Leben wieder Mut fasst. Zitat Mahler: ein „Ausblick auf eine beßre (sic!) Welt“.

Kennengelernt habe ich die Siebte durch die Claudio Abbado CD mit dem Chicago Symphony Orchestra, die lange als Referenz galt. Abbados intimer, sensibler Zugang gilt nach wie vor für mich als Maßstab bei den Mahler-Interpretationen.

Der sensible Kirill Petrenko ist, nicht erst seit seinem Zyklus beim freundschaftlich verbundenen Vorarlberger Sinfonieorchester, als ein ebenso großer Kenner der Klangwelten Gustav Mahlers bekannt und versteht es, „biographische“ Musik bestens zu interpretieren (vergleiche Suks Asrael oder Franz Schmidts Vierte). Mit dieser Veröffentlichung, einem Zusammenschnitt der beiden Konzerte im Münchner Nationaltheater vom 28. und 29. Mai 2018, gibt es nun, veröffentlicht genau am 28. Mai 2021 eine neue Referenzaufnahme dieser außergewöhnlichen Mahler-Sinfonie.

Als nächstes erscheint auf BSOrec übrigens eine DVD von Korngolds Die tote Stadt mit Jonas Kaufmann und Marlis Petersen.

G. Mahler Sinfonie Nr. 7: Bayerisches Staatsorchester/Kirill Petrenko. BSOREC0001 (im Vertrieb von Naxos) - naxosdirekt.de

 

 

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