Besser leben, schöner sterben

MOZARTWOCHE / LAUTTEN COMPAGNEY BERLIN

31/01/25 Die Verdunkelung schloss die Sonne aus. Der Große Saal funkelte und gleißte dennoch im Glanz der Klänge der lautten compagney Berlin und der beiden Vokalisten Maria Ladurner und Martin Platz. Furore machten Psalmenvertonungen von bekannten und weniger bekannten protestantischen Komponisten zwischen Schütz und Roseüller, Buxtehude und Krieger.

Von Heidemarie Klabacher

Da seufzt man „täglich mit Begier“ nach dem himmlischen Jerusalem. Da sucht man Zuflucht in Gott und bittet um Befreiung „aus dem Netz, das sie mir heimlich legten“. Da baut man auf den Herrn, „ob auch das Heer der Bösen drohet“. Aber man fürchtet sich nicht, „ob wild sich Krieg erhebet“.

Als Heinrich Schütz den biblischen König David für Hilfe im Krieg danken ließ, war das im zehnten Jahr des Dreißigjährigen Krieges nicht nur gottgefällig, sondern auch aktuell. Wer aber hätte je gedacht, dass so überaus „altmodische“ Texte, hoch emotionale Zeugnisse einer – wohl auch im Protestantischen längst untergegangenen – Frömmigkeit, eine solche Aktualität erlangen können. Das war, neben dem singulären musikalischen Erlebnis bei der Matinee am Freitag (30.1.) im Großen Saal ein beunruhigender Nebengedanke.

Aus den Psalm-Vertonungen von Heinrich Schütz (1585–1672), Andreas Hammerschmidt (1611–1675), Johann Rosenmüller (1619–1684), Christoph Bernhard (1628–1692), Dietrich Buxtehude, Johann Theile (1646–1724) und Johann Philipp Krieger (1649–1725) spricht viel Todessehnsucht und Erlösungshoffnung der Aufrechten im Bewusstsein, das Ihre beigetragen zu haben. All das ließen die lautten compagney Berlin und die beiden Vokalisten Maria Ladurner und Martin Platz temperamentvoll, betörend werkkundig und vor allem bewundernswert textdeutlich lebendig werden.

Mit technischer Virtuosität und stupend eingesetztem Stil-Wissen haben Instrumentalisten wie Vokalisten die vielfältigen Affekte an der Zeitenwende zum Barock in facettenreichste strahlende Klangfarben gekleidet. Die lautten compagney unter der Leitung von Wolfang Katschner betörte mit instrumentalen Glanzleistungen. Mit welcher Spannung wartete man allein im Schütz-Psalm Paratum cor meum SWV 257 aus 1629 auf den „Ausbruch“ des Jubels, nach dem die Instrumente quasi einzeln zum Dank für den Sieg aufgerufen wurden. Ebenso plastisch und mitreißend gestaltete die Sopranistin Maria Ladurner das quasi emotionale Gegenteil in Sei nun wieder zufrieden, meine Seele von Andreas Hammerschmitd aus 1639: Ein getragner verinnerlichter Rückblick auf vergangene Unbill, der in einem umso lebendigeren federleichten Alleluja gipfelt. Ebenso facettenreich im Klang, delikat in der Phrasierung und souverän mit Umgang mit den durchaus „archaischen“ Texten gestaltete der Tenor Martin Platz etwa die Stimmungswechsel in Dietrich Buxtehudes O Gottes Stadt, o güldnes Licht auf den Text eines Herrn Johann Rist oder den mit vielfältigen Affekten aufgeladenen Lobpreis Der Herr ist mein Licht und mein Heil von Johann Philipp Krieger aus 1697.

Auch zwei mal Mozart hatte Platz inmitten: Maria Ladurner sang die Arie für Sopran, Streicher und Orgel Kommet her, ihr frechen Sünder KV 146, in der neben der Natürlichkeit der Sängerin die aufregenden Cluster im Instrumentalsatz faszinierten. Martin Platz gestaltete die Kantate Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt KV 619. Und zwar so, wie man sie noch nie gehört hat: Er erhellte die Qualität der Nummer durch einen Zugang ganz ohne Pathos, mit stimm-technischer Souveräntiät und selbstverständlichem Umgang mit dem (wirklich problematischen) Text von Franz Heinrich Ziegenhagen. Waren die beiden Mozart-Stücke wohl vor allem dem Anlass Mozartwoche geschuldet, passten sie dennoch inhaltlich in das dramaturgische Konzept mit den alten Werken. Der Jubel wollte, beinah zur Verwunderung der Ausführenden wie es schien, kein Ende nehmen. Es hätte sehr viel mehr als nur eine Zugabe sein können.

Hörfunkübertragung am 25.2., 19.30 Uhr, Ö1
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher