Die längst in den großen Opernhäusern der Welt bei Verdi, Puccini und Co. angekommene bulgarische Sopranistin hat einst bei William Christie in Genf studiert und barocke Partien nie ganz aus den Augen verloren. Natürlich, die Stimme ist groß und glanzvoll strahlend, das slawische Vibrato ist da, wird aber technisch perfekt eingesetzt, die Höhen leuchten in einer eher dem Gebet der Tosca angemessenen Schönheit. Aber kann man das so sagen? Wir wissen, wie die Primadonnen Händel verziert haben, aber wir kennen ihre Stimmen nicht. Ihre Biographien verraten oft große Leidenschaften. Originalklang hin und her, diese umjubelten Künstlerinnen waren sicher keine asketischen Ästhetinnen, sondern hochemotionale Belcanto-Artistinnen.
Sonya Yoncheva, auch in ihrer Erscheinung eine attraktive Besetzung, singt über Liebe, Verzweiflung und Todesangst und lebt diese fundamentalen Gefühle vokal ergreifend mit. Da mag nicht jede Tonfolge historisch informiert sein, aber jeder Ton ist menschlich tief empfunden. Der Jubel des Publikums bewirkte zwei hingebungsvoll klagende Zugaben – die größten Händel-Schlager, Lascia ch'io pianga, dreimal komponiert, in der letzten Version aus Rinaldo. sowie Ombra mai fu aus Serse. Erfühlter und klangschöner kann man das nicht singen.
Thomas Guggeis und das Orchester begleiteten bei Händel aufmerksam. Und musizierten nach der Pause Mozarts „große“ g-Moll-Symphonie mit jenen wundersam warmen Streicherklängen und balsamischen Bläsertönen, für welche die Wiener Philharmoniker stehen. Der hoch gepushte junge Dirigent ruderte mit fast karajanischen Gesten durch die Partitur und störte das unverdrossen in Wiener Charme badende Orchester nicht weiter. Von besonderem Gestaltungswillen war nichts zu bemerken. Ja, den Anfang, die berühmte kleine Sekunde, nimmt man heute schneller als früher. Aber selten so beiläufig... Übrigens ist die im Programmheft propagierte Händel-Anlehnung in diesem Werk eine formale, was zählt, ist das weite Öffnen der Türen zur Romantik. Man muss allerdings zumindest in die neuen Räume hineinschauen.
Und vor der Pause? J. S. Bachs Erstes Brandenburgisches Konzert, erschreckend lustlos herunter gefiedelt und etwas wackelig geblasen. Die große Besetzung ergibt freilich im Großen Festspielhaus Sinn, aber wäre es statt einer chorischen Aufblähung des Originals nicht besser gewesen, gleich eine alte romantische Bearbeitung zu wählen? Die jeweilige Moderne durfte Bach immer übermalen und in jedem Museum kommt es darauf an, wie man die Bilder hängt. Zwischen den Arien gab es auch noch Mozarts Adagio und Fuge KV 546, ein c-Moll-Ereignis, basierend auf Händels Harmonik und die Fühler bis in die Moderne ausstreckend. So dahinplätschernd hat man das geniale Stück noch kaum je gehört wie diesmal. Schade – wir wünschen dem an sich tüchtigen Kapellmeister jedenfalls eine gute weitere Entwicklung.