Rätsel und Nicht-Rätsel

MOWO / HINTERGRUND / CONCENTUS MUSICUS WIEN

20/01/25 „Concentus Musicus“ ist in den Köpfen der meisten noch immer schier untrennbar mit „Harnoncourt“ verbunden. Dessen bewusst ist sich wohl auch Stefan Gottfried, der das legendäre Ensemble im „alten“ Geist mit „neuem“ Elan leitet. Bei der Mozartwoche mit Mozart und Händel – und Seite an Seite mit den „Harnoncourt-Tenor“ Michael Schade.

Von Heidemarie Klabacher

Auf dem Programm stehen Mozarts Sinfonie Es-Dur KV 184 und die „Posthorn“ Serenade D-Dur KV 320 samt Marsch D-Dur KV 335/1. Diese Werke Mozarts umrahmen Ausschnitte aus Georg Friedrich Händels Messias in der Bearbeitung von Mozart. Klassischer und „mozartischer“ geht’s wohl kaum. Aber. Es wäre nicht die Mozartforschung, wenn sie nicht auch etwa in einem scheinbar so glasklaren Standard-Werk wie der Sinfonie Es-Dur KV 184 Rätsel finden würde – um sie dann selber mit Bravour zu lösen.

„Die Originalhandschrift der Sinfonie Es-Dur KV 184 hat Rätsel aufgeworfen, die erst die neuere Mozart-Forschung zu entschlüsseln vermochte“, schreibt Ulrich Leisinger, Wissenschafts-Chef der Stiftung Mozarteum, im Programmheft. „Das Werk gehört zu einer Serie von neun Sinfonien Wolfgang Amadé Mozarts aus der Salzburger Zeit, die Leopold Mozart in einen Sammelband binden ließ. Nach Mozarts Tod blieb der Band nicht lange unbeachtet im Nachlass liegen.“ Constanze Mozart habe den Band bereits 1792 einem Musikalienhändler gegeben.

„Um zu vertuschen, dass es sich um vergleichsweise alte Werke ihres verstorbenen Mannes handelte, strich sie die Kompositionsdaten aus, so gründlich, dass noch heute darüber gebrütet wird: Die Neue Mozart-Ausgabe glaubte, das Datum für KV 184 als den 30. März 1773 entziffern zu können, ein britischer Musikforscher eher als November 1773“, schreibt Leisinger, um zu betonten: „Um ehrlich zu sein: An der Handschrift lässt sich rein gar nichts sicher erkennen.“ Hilfreich dagegen war das Papier, das Mozart nur „in datierten Handschriften nur zwischen März 1773 und Mai 1775 verwendet“ habe, so Leisinger.

Noch im 18. Jahrhundert gelangte der Sammelband von Wien an einen Verleger in Hamburg und blieb dort beim Musikverlag August Cranz, der später nach Leipzig übersiedelte. In den Nachwirren des Zweiten Weltkriegs kam der Band wieder nach Wien und wurde schließlich 1987 für fast 2,4 Millionen Pfund an einen privaten Sammler in den USA versteigert – der höchste Preis, der bis heute für ein Mozart-Manuskript erzielt wurde.“ Dies geklärt habend, bleibt nur, sich auf die Wiedergabe durch den Concentus Musicus Wien unter der Leitung von Stefan Gottfried zu freuen. Dass Mozart gar nicht alle Seiten des Manuskripts mit eigener Hand geschrieben hat, sei auch noch verraten, die Lösung – die es natürlich gibt – als Cliffhänger für Konzertbesucher und Programmheftleser verschwiegen.

Dann also Messias in der „Bearbeitung“ von Mozart. Auch hier zeigt die Mozartforschung auf: „Tatsächlich sollte man eher von einer aufführungspraktischen Einrichtung, nicht von einer Bearbeitung sprechen, denn Mozart hat ... beim Messias keine Änderungen vorgenommen, die eine echte Meisterhand erfordert hätten: Es kam nur zu einigen Kürzungen und zur Ersetzung einer einzelnen Arie durch ein Rezitativ mit Streicherbegleitung“, so Ulrich Leisinger.

Dennoch werde sich Mozarts Instrumentierungin den für das Konzert des Concentus Musicus Wien „deutlich bemerkbar machen“: „Der langsame Teil der Ouvertüre erhält durch die Hinzufügung von drei Posaunen und Fagotten, die die tieferen Streicherstimmen unterstützen, sowie durch die beiden Hörner eine wesentliche klangliche Verstärkung.“ Zwei der von Michael Schade gesungenen Arien, Tröstet Zion! – Alle Tale macht hoch und Erwach’ zu Liedern der Wonne erschienen, so Leisinger ganz im von Händel gewohnten Gewand. „Umso auffälliger ist daher wieder der Kontrast, wenn Mozart in der Arie Du zerschlägst sie ... die beiden Fagotte wesentlich selbständiger als in der Vorlage führt, die Flöte an vielen Stellen die Violinen imitieren lässt und zwei Klarinetten – Instrumente, die Händel nicht kannte – den Bläserklang bereichern.“

Leider kein Rätsel um das Posthorn. „Die bekannte Serenade KV 320 ist eine von Mozarts ambitioniertesten Schöpfungen aus seiner Salzburger Zeit. Sie stammt aus dem August 1779 und gehört einer Serie großer Orchester-Serenaden an, die im Auftrag der Salzburger Benediktiner-Universität entstanden sind oder vielmehr von betuchten Studenten der Abschlussklassen der Universität (Studentinnen gab es damals noch nicht) zum Ausklang des Studienjahrs in Auftrag gegeben wurden.“

Concentus Musicus, Stefan Gottfried, Michael Schade – Freitag (24.1.) 11 Uhr Großer Saal – mozarteum.at/mozartwoche
Bild: ISM / Berlin akg-images; Dieter Nagl; www.machreich-artists.com