In den Arkaden wellten sich die Bücher zum Verkauf

LITERATURFEST SALZBURG / MONIKA RINCK

17/05/16 „Wie Salzburg im Kopf von anderen, Fremden herumgeistert, die schon bald keine Fremden mehr sind“, davon erzählen die Autorinnen und Autoren, die von 18. bis 22. Mai beim neunten Literaturfest in Salzburg weilen werden, im Booklett. Monika Rinck liest bei der Eröffnung am Mittwoch (18.5.) aus „Risiko und Idiotie“. – Hier schaukelt sie derweil auf den Wogen der Salzach und an den Perlketten des Schnürlregens.

Von Monika Rinck

O, so ein kostspieliger Angler. Das Blinker-Regal. Auch der Nachbau des Pulpo, in dem der Haken sich unter lockigen Beinen verbarg, gehörte dazu. Künstliche Fliegen, Gummischnüre. Schwimmer? In etwa. Halbdurchsichtig? Ja, Rüschen. Und Rauschen. Wir rutschten auf seinen sich ohne Unterlass vermehrenden Rüschen dem Höhepunkt entgegen, rauschend. Es war so unendlich viel Stoff! Keuch! Ihro Pestilenz möchten verzeihn.

Demnach waren wir also in Salzburg, dort regnete es 40 Tage und 40 Nächte lang und war doch so warm und blieb doch so nass und was ich zum Trocknen aufhing, trocknete nicht, und die Fiaker fuhren durch den Tunnel des morgens im Regen hinein in die Stadt und dann schon sehr bald wieder hinaus. Wie das klapperte auf den nassen Straßen. Es waren die Pferde, die nicht arbeiten mussten, froh ganz anders die Kutscher. Wir indes: verloren uns im Blick aus dem Fenster.

Der Regen floss. Dem Warten müssen endlich Torten folgen! In den Arkaden wellten sich die Bücher zum Verkauf. Er tat, als kennte er mich nicht. Er kannte mich auch nicht. Ich schickte etwas mit Pupillen, was ihm entging. Sei nicht so umständlich. Ich schickte eine Drohne. Schnell, Würstchenstand an der Salzach. Schnell. Ja, die fließt schnell. Die Drohne hat ihn verfehlt.

Heraus, heraus bis zum Rauputz. (War das Koblenz?) Sicher. Und riebst deine Wange daran, doch es blieb alles sich ähnlich. Alles blieb Koblenz. Das war schon beinah der Wahnsinn, den mein mörderisches Herz sich gewünscht hatte. Doch es würde freilich noch besser, viel besser werden. Entschuldigen Sie, ich muss Sie korrigieren: Es ist Salzburg. Hach, führte der Fluss viel Wasser. Ach, wie floss es doch schnell. Ach. Lass uns Silber kaufen, ja? Lass uns? Lass den Ruin bitte bald kommen. Schau, wie es regnet. In aller Welt wird doch nur noch getötet. Uns aber steht ein höherer Sinn. Das also war Salzburg. Beinschere. Entsetzen. Mein Schrecken, einer von uns hatte ein falscher Irrer sein können.

Flughafenbus. Gerötete Augen. Nichts Arges. Wie ein Hohn hatte es beim Abschied endlich aufgehört zu regnen. Die ganze Arbeit lag noch da. Schnell prüfte ich die roten Ziffern der digitalen Zeitanzeige: Ich hatte mehr als 100 Minuten verloren. Dann der Einbruch: Der Dictionnaire ist weg. Beide Bände. Beide Bände! Die Liebe der Wiederholung. Die Übersetzung war die Liebe der Wiederholung, und der Versuch mit der Stimme des Anderen zu sprechen, ohne ihn zu verdrängen. Etwas zu machen, das gar niemandem mehr gehörte. Das ist doch kein Silber. O, so ein kostspieliger Angler!

Mit freundlicher Genehmigung der Autorin Monika Rinck und des Literaturfests Salzburg

Monika Rinck, geboren 1969 in Zweibrücken, studierte Religionswissenschaft, Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft. Sie lebt als Autorin und Übersetzerin in Berlin. Für ihre Lyrik, Prosa und Essays wurde sie mehrfach ausgezeichnet, etwa 2015 mit dem Kleist-Preis und dem Heimrad-Bäcker-Preis. In ihrer Essaysammlung „Risiko und Idiotie. Streitschriften“, die auf der Frankfurter Buchmesse 2015 mit Preis der Hotlist ausgezeichnet wurde, fragt Monika Rinck „nach den freundlicheren Möglichkeiten des Unverständlichen, des Idiotischen, Albernen, Überspannten und Stumpfen“: „Heiliger Ernst bei großer Sanftheit“, schrieb Iris Hanika in der Berliner Zeitung, „also, lesen Sie ‚Risiko und Idiotie’, es ist selbst ein Gedicht! Sie werden es nicht bereuen.“

Gelegenheit dazu ist am Mittwoch (18.5.) ab 19.30 bei der Eröffnung des Literaturfestes Salzburg – in der Großen Aula lesen Dževad Karahasan, Adolf Muschg, Jens Nielsen und Monika Rinck.
Bild: LFS/Glover