Noch einmal für Peter Handke

LITERATURFEST / HANDKE-ABEND

27/05/11 Drei Dutzend Interessenten am Donnerstag (26.5.) für Peter Handke – aber doch ein Abend mit vielen Anregungen im Solitär des Mozarteums. Erst eine Diskussion, und dann las Dörte Lyssewski aus der Erzählung „Die linkshändige Frau“.

Von Harald Gschwandtner

Sigrid Löffler, Grande Dame der deutschsprachigen Literaturkritik, outete sich schon zu Beginn des Abends als „Handke-Fan der ersten Stunde“. Indem sie wiederholt auf die Wahrnehmungsfähigkeit und Sensibilität des Autors hinwies, auf jene „säkularen Pilgerfahrten“ und „Bedeutungsmomente im Unscheinbaren“, die für diese Texte so kennzeichnend sind, wusste sie Schneisen zu schlagen ins zusehends übersichtlicher werdende Dickicht der Publikationen.

Einen Widersacher im Detail fand Löffler wiederholt in Malte Herwig, dessen Handke-Biographie „Meister der Dämmerung“ (DVA) 2010 erschienen ist. Im Gegensatz zu den erklärten Anhängern stehe er Handkes Werk mit „treusorgender Ironie“ gegenüber, wollte im Gespräch „Distanz und Sympathie“ gleichermaßen walten lassen.

Vervollständigt wurde der Kreis vom Münchner Autor Ernst-Wilhelm Händler, der vor allem Handkes Anteil an einer spezifisch österreichischen sprachkritischen Tradition stark machte und seine Poetik im zeichentheoretischen Spannungsfeld als Kontrast zu jener Konrad Bayer zu erhellen suchte.

Von der Literaturkritikerin Ina Hartwig umsichtig geführt, schritten die passionierten Handke-Leser in der Folge zentrale Themenkomplexe und Entwicklungslinien dieses umfassenden Werks ab – vom frühen „Popliteraten“ und „schrulligen“ Konsum- und Kulturkritiker war hier ebenso die Rede wie von der seltsamen „Menschenleere“ (Löffler) in Handkes Texten. Allesamt Medienprofis, fanden die Diskutanten stets sichere Wege zwischen philologischer Fundierung und unterhaltsamem Plauderton.

Als die Runde abschließend ins biografische Spekulieren abglitt und Hartwigs Versuche, die anfangs gestellte Frage noch einmal ins Spiel zu bringen, zusehends erlahmten, geriet die ästhetisch-literarische Qualität und Wirkung der Texte, über die zu sprechen man sich vorgenommen hatte, freilich etwas aus dem Blick. Anstatt das Verhältnis von Vater, Mutter und Sohn aufzurollen, hätte man vielleicht zielführender Handkes vor allem für das Frühwerk so charakteristische und Schriftstellerkollegen prägende innovative Erzählverfahren benennen können. Ein dadurch eventuell zu verschreckendes Laienpublikum war ja ohnehin nicht anwesend.

Den zweiten Teil des Abends bestritt Dörte Lyssewski mit einer Lesung von Handkes Erzählung „Die linkshändige Frau“, dieser faszinierenden Geschichte eines schmerzhaften Individuationsprozesses angesichts gesellschaftlicher wie familiärer Rollenbilder. Warum man just diesen 35 Jahre alten Text wählte? Die Frage stellte sich nicht, denn die Burgschauspielerin verstand es auf beeindruckende Weise, das Werk durch umsichtige Kürzungen so zu straffen. Was zuvor im Abstrakten erörtert worden war, wurde hier nur allzu deutlich: dass es sich, wie Klaus Seufer-Wasserthal in seiner Einführung so emphatisch wie zweifellos korrekt angemerkt hatte, bei Handke wohl um den „wunderbarsten Dichter Österreichs“ handle.

Doch woran lag es, dass all diese klugen Handke-Kenner – abgesehen von Veranstaltern und Personal – nur gut drei Dutzend Zuhörer fanden, die in den weiten Sesselreihen des Solitärs etwas verloren wirkten? Ist man des Autors nach seinen medialen (und oft ungeschickten) Positionsnahmen in Bezug auf Serbien überdrüssig geworden? Lag es am unwirtlichen Hagelwetter kurz vor Veranstaltungsbeginn? Oder etwa an den gerade für Unentschlossene doch abschreckend wirkenden Eintrittspreisen? Jedenfalls nicht an dem, was geboten wurde.

Gerade Lyssewskis Lesung wird selbst gestandenen Handke-Lesern in Erinnerung bleiben.

Bild: Literaturfest / Edith Zehentmayer