Wie übersetzt man „Fernsehfritze“?

LITERATURHAUS / TUCHOLSKY-ABEND

15/03/11 Die Schreibmaschine war ihm ein „Geschäftsklavier“, seine wütende Produktivität kam erst spät zum Erliegen. Am Montag (14.03.) gaben seine Übersetzerin Elke R. Bosse, der Romanist Roman Reisinger und die Schauspielerin Paloma Obispo im Literaturhaus einen Einblick in das Œuvre Kurt Tucholskys.

Von Harald Gschwandtner

altTucholskys Werk läuft heute Gefahr, endgültig aus dem engeren Kanon der deutschsprachigen Literatur herauszufallen. Das mag einerseits im Fehlen eines opus magnum begründet sein – die Romane „Rheinsberg“ und „Schloss Gripsholm“ zählen zweifellos nicht zu den Höhepunkten seines Schaffens. Andererseits steht die eminente Tagesgebundenheit vieler seiner Texte einer Würdigung in Bezug auf überzeitliche Gültig- und Wertigkeit entgegen.

Das war wohl auch mit ein Grund dafür, dass bisher eine französische Übersetzung der Schriften Tucholskys nicht vorlag. Elke R. Bosse, in Salzburg lebende Übersetzerin, hat mit „Kurt Tucholsky – Armé d’une machine à écrire“, einer 2010 erschienenen, zweisprachigen Edition, nun den Versuch unternommen, dieses Manko zu beseitigen. Dabei wurde auch deutlich, warum gerade Tucholskys Werk sich einer vollständigen Übersetzung mitunter sperrt: So blieben denn zum einen die stark berlinerisch geprägten Texte des Autors außen vor und sperrte sich mancher ‚Spezialausdruck‘ oder Tucholsky’sche Neologismus der Übersetzung.

Der Abend im Literaturhaus bot nun französisch und deutsch hintereinander und ineinander gelesene Texte des Autors mit zaghaften schauspielerischen Einlagen, die von Elke R. Bosse mit biographischen Details ergänzt wurden. Zwischenzeitlich bot Roman Reisinger einen kompakten Überblick über die politische und gesellschaftliche Situation der Weimarer Republik, in die ein Großteil von Tucholskys journalistischer wie literarischer Produktion fällt.

Die politischen Wirren dieser Zeit waren es auch, die Tucholskys journalistisches Schaffen wesentlich bestimmten. In der „Weltbühne“ prangerte er Fehlentwicklungen der noch jungen Demokratie an, stellte sich „gegen rechts und gegen links“, gegen den Militarismus und eine tendenziöse Justiz – und verstand sich dabei meist als Einzelkämpfer. Seine Gemütslage pendelte beständig zwischen euphorischem Glauben an die Wirkmacht des Feuilletons und tiefer Resignation, die ihn zwischenzeitlich immer wieder an den Rand des Verstummens brachte: „In einem schlecht geheizten Warteraum voll bösartiger Irrer liest man keine lyrischen Gedichte vor.“

Mit der Zunahme des politischen und gesellschaftlichen Einflusses der Nationalsozialisten verschlechterte sich Tucholskys Situation in der Weimarer Republik zusehends. Waren schon zuvor Wegbegleiter Opfer von Attentaten und politisch gelenkten Prozessen geworden, kippte die Lage mit dem Jahr 1933 endgültig: Tucholsky stand – gemeinsam etwa mit Alfred Kerr und Lion Feuchtwanger – auf einer der ersten Listen von „Volksverrätern“, die unmittelbar nach der Machtergreifung ausgebürgert wurden. Im Gegensatz zu seinem langjährigen Freund Carl von Ossietzky gelangte Tucholskys rechtzeitig ins Ausland – und starb nach seinem endgültigen Verstummen 1935 in Göteborg.

Gerne hätte man an diesem Abend noch mehr gehört zur Arbeit Tucholskys am Projekt einer deutsch-französischen Verständigung, seiner Imagination eines „Haus Europa“, die er vor allem ab 1924 im Zuge einer Auslandskorrespondenz in Paris vorantrieb. Gerade ob der Tatsache, dass sich drei frankophone Akteure auf der Bühne des Literaturhauses versammelt hatten, verwunderte es ein wenig, dass soviel Biographie- und (deutsche) Geschichtsarbeit betrieben wurde. Auch eine Diskussion am Ende der nur gut 50-minütigen Veranstaltung hätte man sich gewünscht.

Dennoch zeichnete die Präsentation des Bandes ein vielschichtiges Bild eines Journalisten und engagierten Literaten, dessen Werk von anzüglichen Couplets über wütende Feuilletons bis zu ironisch-höhnischen Zeitkommentaren reichte. Ein Werk, das nicht zuletzt aufgrund dieser Vielstimmigkeit (und partiellen Widersprüchlichkeit) auch heute noch internationale Aufmerksamkeit verdient.

Bild: Literaturhaus Salzburg