Hausbesuch möglich. Büchertasche statt Doktorkoffer

LITERATURFEST SALZBURG / REVOLTEN

11/04/18 „Literatur von ihren besten Seiten“ zeigt von 23. bis 27. Mai das elfte Literaturfest Salzburg. Im Zentrum stehen werden künstlerische oder gesellschaftliche „Revolten“: So das Thema des Festivals, das erstmals von Christa Gürtler und Valerie Besl verantwortet wird. Erwartet werden Deborah Feldman, Barbara Frischmuth, Helmut Lethen, Ferdinand Schmalz oder Jan Wagner.

Von Heidemarie Klabacher

„Im Zentrum stehen Geschichten, die von Widerständen und Umbrüchen erzählen: In diesem Jahr widmen wir einige Veranstaltungen des Literaturfests dem Thema Revolte. Der Bogen spannt sich von gesellschaftlichen, sozialen und politischen Umbrüchen und Veränderungen bis zu ästhetischen und künstlerischen Revolten, dabei hat die Zeit um 1968 und danach eine besondere Bedeutung“, sagten Christa Gürtler und Valerie Besl bei der Programmpräsentation.

Bereits die Eröffnung in der Großen Universitätsaula stehe im Zeichen dieses Themas: „Der Büchner-Preis-Träger Friedrich Christian Delius beschwört in seiner autobiografischen Erzählung ‚Die Zukunft der Schönheit‘ den Aufbruchsgeist der späten Sechzigerjahre in New York. Das Aufbegehren der Schülerinnen eines katholischen Internats thematisiert Barbara Frischmuth in ihrem furiosen Debüt ‚Die Klosterschule‘ aus dem Jahr 1968. Und die Geschichten des Schweizer Autors Michael Fehr, die er nicht aufschreibt, sondern aufnimmt, sind komplexe Sprachkompositionen, die Denken und Sprechen einzigartig miteinander verbinden.“

Viel Aufmerksamkeit gilt gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen: Zum Thema „1968 – Kulturen der Rebellion“ diskutieren der Kulturwissenschaftler Helmut Lethen, die feministische Sozialwissenschaftlerin und Vorsitzende von „Frauen ohne Grenzen“ Edit Schlaffer und der Schriftsteller Frank Witzel. Dazu passend präsentiert Ulli Lust mit ihrer autobiografischen Graphic Novel „Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein“, „die Geschichte einer sexuellen Obsession, der Geschlechterkonflikte und der Selbstbefreiung“.

Stefanie Reinsperger und Nico Holonics geben im republic „Einblicke in die ebenso leidenschaftliche wie konfliktreiche Beziehung eines der berühmtesten deutschsprachigen Theaterpaare“, so die Literaturfest-Intendantinnen: „Sie lesen aus dem Briefwechsel des Autors Bert Brecht und der Schauspielerin Helene Weigel aus den Jahren 1923–1956, der eine Verbundenheit in schwierigen Zeiten dokumentiert.“ Reinsperger ist ja die aktuelle „Buhlschaft“ – daher ist dieser Abend auch eine Kooperation mit der Schauspielabteilung der Salzburger Festspiele.

Gelesen wird aus neuen und neuesten Büchern: Katharina Winkler liest aus ihrem Debütroman „Blauschmuck“, der zur Gänze auf wahren Begebenheiten aus dem Leben einer Frau aus einem türkischen Dorf basiert. Deborah Feldman schildert in ihrem autobiografischen Debüt „Unorthodox“ ihren Ausbruch aus der ultraorthodoxen chassidischen Gemeinde in Williamsburg New York: ein New-York-Times-Bestseller in Millionenauflage. Ihr aktueller Roman „Überbitten“ sei, so Christa Gürtler und Valerie Besl, ein faszinierendes Dokument der Versöhnung.

„Revolten von 1918 bis 2018“ umfassen ein weites Zeitfenster: Bettina Balàka erinnert in ihrem Essayband „Kaiser, Krieger, Heldinnen“ an vergessene Pionierinnen der Frauenbewegung. Angelika Reitzer beschäftigt sich mit aktuellen demokratischen Verhältnissen in Österreich. Der Protagonist in Christian Schacherreiters Roman „Wo die Fahrt zu Ende geht“ rekapituliert seine Studienzeit im Salzburg der Siebzigerjahre.

Erstmals bietet das Literaturfest ambulante Lesungen bzw. literarische Hausbesuche: „Als erste Autorin unserer neuen Reihe ‚Hausbesuche‘ können Sie Margit Schreiner einladen: Wenn Sie Interesse an einer unkonventionellen Lesung für Ihre Gäste haben in privaten Räumen, dann melden Sie sich bei uns“, so Christa Gürtler und Valerie Besl. Margit Schreiner liest aber auch vor größerem Publikum aus ihrem neuen Roman „Kein Platz mehr“.

Musik hat immer schon eine Rolle gespielt: In ihrem Programm „von satzsprüngen und klangkatastrophen“ bringen diesmal etwa der Ingeborg-Bachmann-Preisträger 2017 Ferdinand Schmalz und die Pianistin Clara Frühstück „Texte zum Schwingen und Klänge zum Bedeuten“.

Eine fiktive Bargesellschaft berühmter Schreibender trifft in der Bar des Hotel Bristol auf Romanfiguren: Hotelgäste mit Hang zur Revolte von Heinrich Heine bis Patti Smith. Es liest und erzählt Dorit Ehlers.

Die traditionell das Literaturfes beschließende Lyrik-Matinee gehört Safiye Canund ihrem Gedichtband „Kinder der verlorenen Gesellschaft“, Michael Donhauser und seinen „Variationen in Prosa“ sowie dem Büchner-Preis-Träger Jan Wagner und seinem „Selbstporträt mit Bienenschwarm“.

Wie gewohnt macht das Literaturfest Texte auch im Stadtbild sichtbar: An den Schaufenstern der Altstadt sind in diesem Jahr Sätze von Thomas Bernhard (1931–1989) aus seinem autobiografischen Roman „Der Keller. Eine Entziehung“ zu lesen. Auch das Bücherfahrrad ist wieder in der Stadt unterwegs, mit Büchern zum Mitnehmen und Tauschen.

Literaturfest Salzburg – von 23. bis 27. Mai – www.literaturfest-salzburg.at
Bilder: Literaturfest Salzburg/Pamela Russmann; Thomas Wunderlich; Dental Princes; Mirjana Rukavina; Michael Kern