Für d'Herrschaft und für 'd Leut

LEKTÜRE VORAB / DAS TRAPP-KOCHBUCH

23/03/10 Die Enkelin hat in den Kochbüchern ihrer Großmutter geblättert. Johanna Raudaschl war Köchin im Hause Trapp, in Aigen. Man kochte und aß dort wohl gut, und wer (best)bürgerliche Küche der dreißiger Jahre nachahmen will, ist mit diesem Kochbuch gut dran. - Die alte Frau Raudaschl hat ihren Kindern und Kindeskindern aber auch viel erzählt und sie hat manche Erinnerung und Randnotiz schriftlich hinterlassen. Daraus hat Caroline Kleibel für das Buch Lese-Stücke zusammengestellt, die mindestens so bunt sind wie die Food-Fotografie im Buch. - Eine Leseprobe.

Von CAROLINE KLEIBEL

Gerade einmal rund 40.000 Einwohner zählte Salzburg 1931. Die Stadt wirkte den Winter über ruhig und verschlafen. Im Sommer aber mauserte sie sich schon damals alljährlich zur „Weltstadt der Musik“. Mit einem kulturellen Leben wie hier, speziell wie im Hause Trapp, war Johanna Raudaschl noch nie zuvor in Berührung gekommen. Im Juli und August war die Stadt voll mit Künstlern und Musik-liebhabern aus aller Herren Länder, die den bereits 1920 gegründeten Festspielen die Ehre gaben. Rund 60.000 auswärtige Besucher zählte man 1931, und errechnete aus deren Ausgaben – „im Schnitt 100 Schilling pro Person“ – für Salzburg und Österreich Einnahmen von sechs Millionen. Überschminkte vieles im Grunde nur die wahren Probleme der Zeit, so war es doch prägend für das weitere Leben meiner Großmutter, dabei gewesen zu sein – wenngleich nur ganz am Rande. (…)

Viel Festspielprominenz, Künstler wie Publikum, gaben sich in der noblen Villa in Aigen ein Stelldichein. Nahe und ferne Verwandtschaft wurde eingeladen oder lud sich ganz einfach selbst ein. Das Ehepaar von Trapp nahm regen Anteil an gesellschaftlichen Anlässen, stand oftmals als Gastgeber in deren Mittelpunkt. (…)

Obwohl sie selbst nicht gerade ein Genussmensch war und so manches nicht essen durfte, ließ es sich die Baronin nicht nehmen, täglich die Speisenfolge persönlich zu bestimmen und das Essen für „d’ Herrschaft und für d’ Leut“ gemeinsam mit ihrer Köchin auszuwählen.

Dies geschah oftmals erst reichlich spät am Morgen, wobei die Hauptmahlzeit nicht abends, sondern bereits zu Mittag eingenommen wurde. Erst spät also erfuhr Johanna, ob Gäste der Familie beim Essen Gesellschaft leisten würden und was gewünscht wurde. Leicht konnte es sein, dass sich überraschend Besuch angesagt hatte und sich die Schnitzerln, welche die Baronin am Vortag beim Fleischhauer bestellt hatte, als nicht ausreichend erwiesen. Dann war es selbst in einer Stadt wie Salzburg gar nicht so einfach, noch schnell etwas Gutes aufzutreiben.

Nichtsdestotrotz schwang sich Johanna Raudaschl, wie sie oft und gerne erzählte, auf ihr klappriges Radl und fuhr der Salzach entlang hinein in die Stadt. Irgendwie schaffte sie es immer, ein Essen nicht nur rechtzeitig, sondern auch von bester Qualität auf den Tisch zu bringen. Die alteingesessene Fischhandlung am Hanuschplatz oder die Marktstandln am Grünmarkt waren stets Garanten für beste Ware. Je nach Jahreszeit boten die Walser Gemüsebauern ihr Sortiment feil, und private Sammler verkauften – um sich in den schlechten Zeiten ein bisserl Geld zu verdienen – günstig selbst gepflückte Schwammerl oder frische Heidelbeeren, von denen „alles ganz blau“ war. (…)

Nahm man später Johanna Raudaschls Kochbücher von damals zur Hand, so fanden sich in den abgegriffenen Bänden nicht nur ihre Rezepturen, sondern allerlei Heiligenbildchen als Beistand, flüchtig beschriebene Notizzettel und vergilbte Zeitungsausschnitte. Einer davon sei stellvertretend zitiert, da er viel über den Geist von damals preisgibt, ebenso aber den Charakter der Köchin unterstreicht, die stets um Weiterbildung bemüht war und darum, für die ihr Anvertrauten das Beste zu geben: „Elektrisch Kochen“, heißt es da in einem Artikel vom 14. November 1931 aus der Tageszeitung „Salzburger Chronik“. „In aller Stille verstärkt sich auch in Salzburg der Kampf zwischen Elektrizität und Gas um die Vorherrschaft in der Küche, nachdem als Beleuchtungsmittel das Gas schon so ziemlich von dem weit bequemeren elektrischen Licht verdrängt wurde. Am Freitag, 13. November 1931 fand im Kurhaus ein elektrisches Schaukochen statt, unter Mitwirkung von Frau Wimmer, die sich als erste Elektroköchin Salzburgs schon verdient gemacht hat. Der ganze Werdegang einer elektrisch zubereiteten Mahlzeit wurde vorgeführt. 1½ Kilogramm Schweinebraten, Reis, Kompott und als Mehlspeise eine Biskuitroulade wurden in kaum zwei Stunden vorzüglich fertig gekocht und den Anwesenden als viel begehrte Kostprobe überreicht.“ Ob Johanna Raudaschl selbst unter diesen „Anwesenden“ war? Wohl eher nicht. Wie aufgeschlossen sie die Entwicklungen und Veränderungen ihrer Zeit verfolgte und daran Anteil nahm, belegen die sorgsam archivierten Zeilen allemal.

Aber so ein elektrischer Herd war im Hause Trapp noch Zukunftsmusik und das Kochen deshalb höchst beschwerlich. (…)

Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Anton Pustet
Irmgard Wöhrl (Hrsg.): "Das Trapp-Kochbuch. Original-Rezepte der Köchin Johanna Raudaschl". 120 Seiten. Verlag Anton Pustet, Salzburg, 2010.