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Der Wettkampf um die längste Latte

LESEPROBE / SCHELLER, SCHLEICHER, MAIBAUMKRAXLER

30/03/12 In Puch bei Hallein wird eine alte Skulptur – Jesus auf dem Esel reitend – am Palmsonntag bei der Palmprozession mitgeführt. Anderswo setzt man sportiven Ehrgeiz in die Länge der Palmstangen. – Eine Leseprobe aus dem Buch „Scheller, Schleicher, Maibaumkraxler“ von DrehPunktKultur-Chefredakteur Reinhard Kriechbaum. Es ist Bräuchen in der ersten Jahreshälfte gewidmet.

Von Reinhard Kriechbaum

Im Tiroler Imst entbrannt Jahr für Jahr ein regelrechter Wettstreit um den mächtigsten Palmbuschen, genauer gesagt: um die höchste, längste Palmlatte. Das ist das richtige Wort für die an Stangen gebundenen Zweige. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist das Rivalisieren um die längste Palmlatte im Tiroler Oberland dokumentiert. Ein fürwahr eigenartiges Kräftemessen um eine rituelle Handlung, deren Ursprung sich in der Bibel ganz harmlos liest: "Am Tage drauf hörte die Volksmenge, die sich zum Fest eingefunden hatte, Jesus komme nach Jerusalem. Da nahmen sie Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen und riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!“ (Johannes 12, 12-13)

In Imst heimsen die Königsehre jene starken Männer ein, die mit der längsten Latte anmarschieren und die es schaffen, das Riesending drei Mal aufzurichten, ohne dass es in Brüche geht. Das ist durchaus eine Herausforderung, die nicht nur ansehnliche Kräfte, sondern auch Fingerspitzengefühl verlangt.    

Der Imster Rekord liegt bei 36 Metern und datiert aus dem Jahr 2004. Schwer vorstellbar, dass irgendwo auf der Welt je eine längere Palmstange getragen wurde. Angeblich habe es in Imst sogar einmal eine Palmstange gegeben, die von der Pfarrkirche bis hinauf zur Pestkapelle am "Bergl" gereicht haben soll. Hundert Meter? Es dürfte eine maßlose Übertreibung sein. An drei Stationen der Prozession nach der Heiligen Messe werden die Palmlatten aufgerichtet, und dafür braucht es bis zu fünfzehn Männer. Birst die Palmstange, können sie ihre Rekord-Träume für dieses Jahr begraben. Bier und Brezen gibt es für die Sieger, das ist so der Brauch seit alters her.

Palmprozessionen sind seit dem 7. Jahrhundert belegt. Die Palmprozession erlebte in der Zeit der Gegenreformation im 16. Jahrhundert eine Hochblüte. Aus den ursprünglichen Huldigungszweigen wurden in Mitteleuropa durch populäre Ausdeutung "Segenszweige". Deshalb wird der Palmbuschen oder Palmbesen (der Buschen an einer kürzeren Holzstange) als Fruchtbarkeitssymbol oder als Wettersegen in die Mitte des Ackers gesteckt. Einige geweihte Palmzweige kommen in den Bauernstuben zum Kruzifix im Herrgottswinkel. In den Raunächten werden die getrockneten Palmzweige mit den Heilkräutern und Weihrauch auch zum Rauchengehen verwendet.

Auch im Salzburger Lungau legen junge Männer ihren Ehrgeiz in möglichst hohe Palmstangen: „Die Länge ist eigentlich nur durch die Höhe des Kirchenschiffes begrenzt“, so formuliert es ein Pfarrer. Übrigens: Bis in die 1960er Jahre trugen nur Hoferben die großen Buschen zur Kirche. Männer hatten oft nur einen Zweig am Hut und Frauen und Mädchen ein kleines Handbüscherl.

Zahl und Kombination der im Palmbuschen vereinigten Gewächse ist von Region zu Region unterschiedlich, aber unterdessen haben sich lokale Traditionen weiter verbreitet. Der „Lokalkolorit“ bei den Palmbuschen ist entsprechend rarer geworden, Verzierungen mit Orangen, Brezen sieht man immer wieder. Im städtischen Bereich sind „Buschen“ allein aus Zweigen der Salweide mit ihren Palmkätzchen, in Kombination mit ein wenig Buchs oder Efeu, üblich.

Im Salzburger Tennengau werden die Palmbuschen traditionellerweise mit bunten Sägescharten verziert. Das kommt aus der als winterliche Heimarbeit betriebenen Drechslerei (zum Beispiel erzeugte man Holzspielzeug). Die Scharten waren ein Abfallprodukt, das reichlich zur Verfügung stand. Im „Bandlkramerland“ (um Groß-Siegharts im niederösterreichischen Waldviertel) verziert man die Palmbuschen zwar nicht mehr mit gewebten Bändern, aber mit bunten Papierstreifen.

Reinhard Kriechbaum: Scheller, Schleicher, Maibaumkraxler. Bräuche in Österreich: Fasching, Ostern, Frühling. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2012. 220 Seiten, 24 Euro - www.pustet.at
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Anton Pustet

Morgen, Samstag (31.3.) ist der Autor um 10 Uhr Live-Gast in der Sendung „Radio Salzburg ins Wochenende“

 

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