Himmel, Heiliger, Fuck; ständig musste er irgendwas

LESEPROBE / DORIS KNECHT / ALLES ÜBER BEZIEHUNGEN

08/03/17 Nicht nur am „Internationalen Frauentag“ liebt Viktor die Frauen. Für ihn ist jeden Tag Frauentag. Jeden Tag eine andere Frau, sozusagen. Dazu hat der moderne Fünfziger den Bluthochdruck zu senken, ein Theaterfestival zu leiten, fünf Töchter zu versorgen – und noch eine Frau zu heiraten. Viktor und seine Schöpferin Doris Knecht wissen „Alles über Beziehungen“. - Hier eine Leseprobe.

Alles über Beziehungen

Von Doris Knecht

Er würde sich mit Lisbeths merkwürdiger Nachricht auseinandersetzen müssen: sobald er Zeit dazu haben würde und genug Luft und die notwendigen Nerven. Was in Viktors prallem, überfülltem Leben nicht oft vorkam. Sowieso gar nicht mehr, seit er diesen Intendantenjob angenommen hatte. Und jetzt, wo Magda heiraten wollte, plötzlich und immer vehementer, und er sich mit einem Mal für etwas entscheiden musste, für das er sich, so sah es jedenfalls Viktor, doch eh schon lange entschieden hatte. Aber sie wollte, dass er sich festlegte, endgültig, mit Dokument und Unterschrift und vor Zeugen. Und einen Ring, sie wollte endlich einen Ring, alle ihre Freundinnen hatten Ringe, nur sie nicht. Wieso habe ich keinen Ring, Viktor, hab ich keinen Ring verdient? Sie wollte ihn an die Kette legen, final, so banal war es. Gewiss keine weltbewegenden Probleme, die er da hatte, aber sie rührten sich in ihm und nervten Viktor: Bruder von drei Schwestern, Vater von fünf Töchtern, Lebensgefährte von Magda, Ex-Lebensabschnittspartner von Edith und dann Natalie, gebenedeit unter den Frauen, Kulturmanager, Lebemann und demnächst fünfzig.

Genau, darum musste er sich ja auch noch kümmern, um diesen blöden Geburtstag. Alle erwarteten das, ständig kam eine an und sagte, na, Viktor, du hast ja auch bald einen runden. Ein Runder. Was war bitte rund am Altwerden? Viktor machte es unrund. Er fühlte sich krank, wenn er nur daran dachte, dass er bald fünfzig sein würde, Viktor Kirchner, fünfzig, er fand nicht, dass es ein Grund zum Feiern sei, definitiv nein. Aber alle anderen fanden es offenbar schon und erwarteten von

Viktor eine erstklassige und extravagante Feierlichkeit, um sich auf seine Kosten zu betrinken, satt zu fressen und tüchtig gehenzulassen. Er hatte eh schon keine Kohle, die wurde eh schon verteilt unter all den Frauen in seinem Leben. Jetzt sollte er auch noch feiern, als habe er nichts Besseres zu tun. Als hätte er sich um nichts zu kümmern, außer um eine, wie Viktor fand, völlig unnötige Hochzeit und einen noch viel, viel unnötigeren fünfzigsten Geburtstag. Himmel, Heiliger, Fuck; ständig musste er irgendwas.

 

Dieses Festival. Als Viktor den Ruf bekam, das Festival zu leiten, ein kleines, nicht erstrangiges, aber doch gut beleumundetes und von der Kritik fast durchgehend mit Wohlwollen bedachtes Festival, zögerte er nicht lange, diesem Ruf zu folgen. Erstens und wichtigstens zum Vorteil der hiesigen Kultur im Allgemeinen und des in den Jahren zuvor etwas vernachlässigten und in die Bedeutungslosigkeit abgerutschten Festivals im Speziellen. Zweitens zum Wohle seines Kontostandes, der unter anderem von Alimentationszahlungen für die beiden Töchter aus den Verbindungen mit Edith und Natalie seit je stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Drittens, und stark im Kontext mit zweitens, im Dienste seiner Selbstachtung. Denn auch wenn Viktor das stets mit innerem Achselzucken vorgegeben hatte, hatte es ihn doch nie ganz gleichgültig gelassen, dass Magda, seine Lebensgefährtin, jeden Monat mehr Geld nach Hause gebracht hatte als er, der von der Kritik gefeierte Regisseur.
Magda verdiente ihr Geld mit einem kleinen, gänzlich prosaischen Hausbetreuungs-Unternehmen, bestehend aus einer wachsenden Armada vor allem tschechischer, aber auch ukrainischer und serbischervGroßmütter, die Magda befehligte. Die Firma war Magda eher passiert, als dass sie sie tatsächlich gewollt und gegründet hatte, das passte zu ihr, das war ihr doch mit Viktor ganz ähnlich gegangen.

Mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Verlages

Doris Knecht: Alles über Beziehungen. Roman. Rowohl Berlin Verlag, Berlin 2017. 288 Seiten, 23,60 Euro - auch als e-Book erhältlich - www.rowohlt.de
Bild: Rowohlt Verlag/Pamela Rußmann
Doris Knecht liest am Donnerstag (9.3.) um 19.30 im Literaturhaus Salzburg – Cay Bubendorfer moderiert die Buchpremiere mit Lesung und Gespräch - „Alles über Beziehungen“ erscheint am 10. März