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Krautgarten statt Kraut und Rüben

BUCHBESPRECHUNG / AUS SALZBURGS HOHER SCHULE GEPLAUDERT

31/12/12 Hier hat Peter Handke (falsch) geschworen, nie wieder öffentlich aufzutreten. Hier haben Abraham a Sancta Clara und Leopold Mozart studiert. Marko Feingold trägt – falls er ihn trägt – ihren Goldenen Ehrenring. Von ihrem jüngsten Gebäude im Nonntal hat man den allerschönsten Blick auf die Festung: Die Universität Salzburg hat viele Facetten.

Von Heidemarie Klabacher

Christoph Brandhuber ist der Archivar der Universität Salzburg. Er hat in seinen Schätzen geblättert und gestöbert und die schönsten, spannendsten und skurrilsten Details aus der Geschichte der Universität Salzburg seit 390 Jahren zusammengetragen.

Aufgelassen wurde die 1622 von Fürsterzbischof Max Gandolf gegründete Benediktiner Universität anno 1810 von der Bayerischen Regierung zugunsten einer Universität in München. Nach vielen vergeblichen Anläufen wurde die Universität Salzburg im Jahr 1962 wieder gegründet. Die „moderne“ Universität gibt es also erst seit fünfzig Jahren – was im zu Ende gehenden Jubiläumsjahr 2012 gebührend gefeiert wurde.

Unter dem Titel „Aus Salzburgs Hoher Schule geplaudert“ hat Christoph Brandhuber Schmankerl aus dem kunst-, kultur- und sozialgeschichtlichen Umfeld der Universität zusammengetragen und „Hundert Minitraktate unter einen Hut gebracht“. Entstanden ist eine ebenso kurzweilige wie inhaltsreiche Universitätsgeschichte, bestehend aus hundert Streiflichtern. Über deren Vielfalt und Freakwert kann man nur staunen. Universitäts- und Bibliotheksgeschichten umrahmen Alltags-, Kunst- sowie Theater- und Musikgeschichten.

Dem titelgebenden „Hut“ gilt natürlich auch eines der Minitraktate: Es ist der Kardinalshut des Heiligen Karl Borromäus, des Universitätspatrons. Dieser Hut – eine Schenkung – wurde in der damals gerade frisch geweihten Universitätskirche (Kollegienkirche) sogar zur Verehrung ausgesetzt. Freilich nur für kurze Zeit, denn der Erzbischof zweifelte an der Echtheit der „Reliquie“.

Wohnen in Salzburg war schon damals teuer. 1677 klagten sogar die Professoren über die hohen Wohnungspreise in der Stadt: Dadurch waren sie gezwungen, außerhalb des Zentrums Wohnung zu nehmen und im Winter „auf dem Eis mit Gefahr weit über die Gassen biß zur Academie zu stapfen“. Außerdem gingen „in der Stadt die Uhren nit zusammen“. Was das mit dem Lehrbetrieb zu tun hat? In den abgelegenen Quartieren konnte man den Schlag des Glockenturms der Uni nicht hören, man kam zu früh in den Hörsaal und musste „in der größten Kälte“ auf die Studenten warten.

Wo es eine Uni gibt, gibt es Studenten und Studenten haben immer schon für Aufruhr gesorgt. Die 68er haben die Studentenproteste keineswegs erfunden! 1711 gab es in Salzburg heftige Studentenunruhen: Man protestierte gegen die körperliche Züchtigung. 1970 haben Studenten auf dem Residenzplatz eine Sau – das Ferkel Jolande – losgelassen und damit eine Militärparade des Bundesheeres erfolgreich gestört.

Auch Ab- bzw. Jenseitiges findet man unter den von Christoph Brandhuber ebenso genussvoll und wie pfiffig erzählten Geschichten: In der Krypta des Sacellums (der Kirche im Erdgeschoss der Universitätsbibliothek an der Ecke Herbert von Karajan-Platz) entdeckte man zwölf mumifizierte Männer mit Doktorhüten, im Kreis sitzend: verblichene Benediktinerprofessoren, die zur „Ewigen Senatssitzung“ zusammengekommen waren. Geöffnet wurde die Krypta 1969 bei der Restaurierung, erzählt Brandhuber. Ob das Kollegium dort unten noch immer tagt, verrät der Autor nicht. Aber da man in Salzburg immer sehr für Bewahrung ist, wird man davon ausgehen können. Man sollte das Sacellum mit dieser Story im Hinterkopf wieder einmal besuchen… Die Sitzbestattungen endeten jedenfalls zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Die Grabplatte für das dort unten bestattete Herz des Fürsterzbischofs Schrattenbach deckt das Geheimnis.

Mit Genuss liest man die Geschichten, von denen auch versierte Salzburger nur die wenigsten kennen werden. Mit gleichem Genuss vertieft man sich in die wunderschönen Bilder: Viel von seinem Charme verdankt das Buch den Fotographien von Hubert Auer, die alle – unter oft abenteuerlichen Umständen – mit größtem Aufwand eigens für den Band aufgenommen worden sind. Jeder „Geschichte“ steht ein ganzseitiges Foto gegenüber, dazu kommen liebevoll ausgewählte und aufwändig reproduzierte Detailabbildungen aus Kunstwerken oder Dokumenten. Jedes Kapitel hat zudem ein winziges bildliches „Leitmotiv“ in der Paginierung – sei es eine gemalte Rose, eine bewohnte Initiale oder eben der Hut des Karl Borromäus.

Nach dem packenden und beklemmenden Band „Buchraub in Salzburg“ hat die Universitätsbibliothek mit „Aus Salzburgs Hoher Schule geplaudert“ in der Reihe „uni:bibliothek“ eine charmante und unterhaltsame Facette Salzburger Kultur- und Geistesgeschichte in den Blick genommen.

Das Kraut- und Rüben (bzw. Gurken)-Design von Furtwänglerpark und Max Reinhardt-Platz hätte vermieden werden können. Eine überzeugende Vorlage gibt es: Über 3700 Quadratmeter erstreckten sich hier der Küchengarten und der Botanische Garten der Universität, 11.500 verschiedne Pflanzen wuchsen hier. „Heute erinnern nur noch Ginkgo und Tulpenbaum an die einstige Exotenpracht.“

Christoph Brandhuber: Aus Salzburgs Hoher Schule geplaudert. Hundert Mini-Traktate unter einen Hut gebracht (= uni:bibliothek 2, herausgegeben von Ursula Schachl-Raber). Müry Salzmann Verlag, Salzburg/Wien 2012. 175 Seiten, 19 Euro.
Bilder: Hubert Auer
Zur Leseprobe {ln:Sterne und die Laterna Magica}

 

 

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