Ich such mir auch eine Sugar-Mommy

BUCHBESPRECHUNG / KÖNIG

11/04/25 Sie nimmt die Stille und erstickt dich damit... Toxische Beziehungen sind so hype wie Kolumnen, Ratgeber oder Theaterstücke darüber. Die junge Autorin Christina König macht aus dem viel verhandelten Thema nicht weniger – als Literatur. Alles, was du wolltest ist in der Sprache brillant, im Inhalt spannend, in der Figurenzeichnung hellsichtig und im Textaufbau raffiniert. Ein beeindruckendes Debüt!

Von Heidemarie Klabacher

Christina König erzählt auf den Punkt. Ihre Sätze treffen wie Pfeilspitzen. Ins Herz. Ins Zentrum für Galgen-Humor. Dorthin, wo die helle Begeisterung für souveräne Handhabung der deutschen Sprache sitzt.

Sie beobachtet dich, während du die Zähne putzt, und du kannst dich nirgends wegdrehen, weil sie auch im Spiegel sitzt. Das ist so ein Satz. Oder. Das Haus ist groß, aber nicht so groß, dass du ihr entspannt aus dem Weg gehen kannst. Nie Geschwätz. Oft böser Humor. Ihr tut, als wärt ihr in einer Reality-Show, in der ihr um den Titel der erwachsensten Ex wettweifert.

Wohlhabende zielstrebige Geschäftsfrau lässt mittel- und orientierungslose Masseurin bei sich einziehen, überhäuft diese mit Geschenken – immer zu viel, immer zu teuer – und Forderungen bei zunehmendem Unwohlsein der ausgehaltenen Liebhaberin und vorhersehbarem Ende? Nicht mit Christina König.

Christina König dreht ihre Geschichte durch den Wolf. Sie erzählt mittels Rück- und Vorblende in scheinbar beliebigem Wechsel. Früher/Noch früher. Später/Noch später und Am Anfang heißen die Passagen. Diese werden munter durcheinander- und aufgemischt mit Schilderungen aus dem aktuellen Alltag von Viktoria und Alexandra.

Die Autorin handhabt ihr alptraumhaftes Material so hellsichtig wie spielerisch. Bis nach Auffindung eines Verlobungsringes alles zum Stillstand kommt. In der (ungefähr) zweiten Hälfte des Buches verführt die Autorin mit gleich drei verschiedenen Vorschlägen für ein Romanende. Auf drei eigenständigen Erzählsträngen begleitet sie Alex auf drei wiederum präzise und anschaulich gezeichneten Wegen in eine jeweils mögliche Zukunft. Alptraum über Alptraum? Happy End dabei?

Liegt alles im Auge des Betrachters. Die Charaktere der Hauptfiguren Viktoria und Alexandra werden in den drei Finalrunden noch einmal von neuen Standpunkten aus betrachtet. Es ist erstaunlich, wie viele Facetten die Autorin aus ihren beiden doch so alltäglichen Typinnen herauszuschleifen weiß.

Die aus reicher Familie stammende, essgestörte, schnell beleidigte und immer eifersüchtige Meisterin der Manipulation, die die jüngere Frau weniger in emotionaler als finanzieller Abhängigkeit zu halten weiß? Das aus dem unteren Mittelstand gebürtige, von Freunden und Familie getragene, den Verführungen des Reichtums erliegende Opfer? Alles und nichts davon. Wie Christina König aus Klischees Menschen werden lässt, ist ebenso brillant wie ihre Sprache zwischen Witz und Ironie, Poesie und Dystopie.

Christina König: Alles, was du wolltest. Roman. Otto Müller Verlag, Salzburg 2025. 203 Seiten, 24 Euro, e-Book 20,99 – www.omvs.at
Bild: Otto Müller Verlag / Erika Mayer