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Abenteuerfahrt zum Ursprung

BUCHBESPRECHUNG / LEUPOLD / DIE WITWEN

30/09/16 Vier Witwen, die eigentlich keine sind, begeben sich mit Chauffeur, gefunden per Annonce, auf Abenteuerreise. Sie spüren nicht nur dem Flussverlauf der Mosel nach, sondern auch den eigenen Schicksalen und Sehnsüchten - bis an den Ursprung.

Von Verena Resch

Auch wenn der Titel etwas anderes verspricht: Witwe ist keine der vier Frauen, zumindest nicht im ursprünglichen Sinn. Was ihnen jeweils fehlt, ist nicht ein Mann, sondern ein bestimmtes Gefühl: „Nicht Männer waren ihnen abhanden gekommen, sondern die Zuversicht oder die Verwegenheit oder die Fantasie.“

Die vier Freundinnen mit den anspielungsreichen Namen Penny (Penelope), Laura, Dodo und Beatrice kennen sich bereits seit Schultagen. Penny ist als erste in Steinbronn gelandet, einem kleinen Ort an der Mosel, wo sie mit Otto den Sohn einer eingesessenen Winzerfamilie geheiratet hatte. Sie ist diejenige, der der Witwenstatus am ehesten entspricht. Seit acht Jahren wartet sie, wie ihre Namensvetterin bei Homer (die es auf zwanzig Jahre Wartezeit gebracht hat), auf ihren Mann, der von einer Geschäftsreise nicht mehr zurückkehrte. Die Freundinnen sind nach und nach aus Berlin aufs Land gefolgt. Dodo betreibt eine Gärtnerei, Laura eine Praxis für Logopädie und Beatrice ist Yogalehrerin und Feldenkraistherapeutin. Alle vier sind unglücklich mit ihrem Leben werden von heimlichen Sehnsüchten verfolgt.

Die ungestillte Sehnsucht ist es auch, die die Frauen einen Plan fassen lässt: Sie begeben sich auf eine Reise – Ziel unbekannt. „Wir haben Heimweh nach etwas, das wir nicht kennen. Also müssen wir es suchen. ... Kein Ort! Aber etwas, zu dem wir in Bezug treten müssen, das uns auffordert, uns zu zeigen.“ Per Zeitungsannonce suchen sie einen Chauffeur, den sie in Bendix finden, der auch die Reiseroute bestimmt. Der studierte Philosoph ist ebenfalls ein Orientierungsloser, der den zweiten Vornamen von Walter Benjamin trägt und gemeinsam mit seinen Zierfischen, alle benannt nach bekannten Philosophen, in der Wohnung seiner Mutter lebt.

Das Quintett begibt sich mit einem Fiat Ulysse (!) auf die Reise und folgt der Mosel bis zu ihrem Ursprung. In Frankreich gibt jedoch das Auto den Geist auf und aus der Reise wird eine Suche nach den Ursprüngen des eigenen Seins. Nacheinander erzählen die vier Frauen Episoden aus ihrem Leben, von denen die anderen nichts ahnten, obwohl sie einander so gut zu kennen glaubten. Diese vier Kapitel werden programmatisch mit „Abschaffung“, „Verkennung“, „Dressur“ und „Warten“ betitelt und bieten Erklärungen für die Eigenheiten der einzelnen Protagonistinnen.

Narratologisch bietet der Roman wenig Überraschendes. Spannend sind hingegen die zahlreichen mythologischen und motivischen Anspielungen, die den Roman durchziehen. Die Sprache mag teilweise etwas gestelzt klingen, passt aber zu diesen Verweisen.

Während ihrer Odyssee haben es die Frauen also geschafft, sich ihren Sehnsüchten und Ängsten zu stellen und sind bereit für die nächste (Lebens-)Etappe, die sie zunächst ans Meer führt. Diesmal bestimmen sie selbst ihr Ziel - und „als sie dann fuhren, hatten sie – alle fünf! – das Gefühl, der Ulysse habe ein Schiebedach“.

Dagmar Leupold: Die Witwen. Ein Abenteuerroman. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2016. 236 Seiten, 22 Euro. Auch als e-book erhältlich - jungundjung.at

 

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