Zum Bericht Seit 1592. Jetzt ist Schluss. (25.8.)

26/08/20 In einer Stadt angekommen, besuchte ich immer das örtliche Notengeschäft, seit ich Klavierschüler war. Nach einiger Zeit, manchmal Stunden, hatte ich meinen Rucksack mit einigen musikalischen Raritäten gefüllt. Die Freude am Rest der Reise wurde noch größer, weil ich mich auf meine Zeit am Klavier danach freute.
Museen besuchen, Kirchen besichtigen, kulinarische Genüsse, Badeerlebnisse, alle waren mir noch süßer mit dem Gedanken, dass ich, einmal zurück an meinem Instrument ,meine musikalischen Schätze zu entdecken hatte. Depression und Sehnsucht nach den Ferien? Nein, im Gegenteil, ich spürte Vorfreude auf sinnliche Verarbeitung des Erlebten und liebevolle Konzentration in meinem Musikzimmer auf mein Klavier. Mein Rucksack mit Noten war mein Elixir.
Die Erinnerung an die Entdeckungen im Geschäft kamen jetzt hervor: die haptische, berauschende Erfahrung, schnell mit den Fingern die Hefte durchzublättern; der Geruch von Papier, von alt und neu zusammen, glänzend, strahlend oder matte Oberflächenstrukturen; die schöne Kalligraphie; die Stimmen im Geschäft. Die Wertigkeit der Ausgaben strahlte die unzähligen, liebevollen und fundierten Arbeitsstunden der Verlage aus.
Jung oder alt, immer betraten interessante Menschen das Geschäft. Die geflüsterten Fragen an den Verkäufer, die erfahrenen, erleuchtenden Auskünfte durchfluteten mein neugieriges Ohr und meine Seele. Notengeschäfte waren alle einzigartig, aber man fühlte sich dort wie in einer Familie zu Hause. Ja, nur die Musikinsider würden in diesen Orten mehr als zwei Minuten verbringen. Nur wer diese geheimnisvolle Sprache lesen kann, kann das Wunder erleben.
Anfang der 90er Jahre fing sich an, etwas zu verändern: die musikalischen Accessoires, die vorher im Karton verpackt nur von Angestellten auf Anfrage vom Lager abgeholt und präsentiert waren, wurden ab dann in Plastikverpackung mit EAN Strichcodes aufgestellt, die Verkaufsbücher wurden durch Computer ersetzt, zwischen Käufer, Produzenten und Verkäufer kamen nicht die Produkte sondern Bildschirme in den Vordergrund. Die sinnliche Ausstrahlung eines Produktes war nicht mehr relevant, sondern Preis und Lieferzeit.
Viele Geschäfte passten sich an, nur wenige, wie die Mayrische Musikalienhandlung in Salzburg nicht. Dort ist es noch so, dass man eintauchen kann, stöbern und lernen, von den Verkäufern und ihrer ausserordentlichen Kompetenz, von der Atmosphäre, von den Kunden, von der Geschichte und Identität Salzburgs.
Ja, es gehören viele Puzzleteile dazu um ein Stadtbild zu vermitteln: eine Festung, eine Kirche, ein Museum, eine Einkaufsstraße, ein Geburtshaus, Festspiele, ein Bad, eine Sound of Music-Tour, und für Musiker ein Notengeschäft.
Mit September 2020 endet voraussichtlich die Geschichte der Mayrische Musikalienhandlung in Salzburg für immer. Krisen fordern normalerweise viele Opfer. Es stimmt, viele Geschäfte sperren zu, neue übernehmen ihren Platz. Die Kaufgewohnheiten verändern sich und das online Geschäft verbreitet sich. Aber, kann man sich eine Stadt ohne ein einzigen Bäcker vorstellen? Ohne eine einzige Apotheke, eine gute Buchhandlung, ohne Sportgeschäft? So unscheinbar für viele die Mayrische Musikalienhandlung sein mag, so unfassbar gross ist der Verlust für die Weltmusikstadt Salzburg und die internationale Musikergemeinschaft.
Mit tiefer Bestürzung und uneingeschränkter Solidarität mit den Team der Mayrischen rund um Christof Subklew.
Gianfranco Sannicandro

26/08/20 Schade, sehr schade + n = Schande. Die UE folgt Geschäftsinteressen oder muss selbst sparen, da ist ihr offenbar die Mayrische im Weg. Also weg damit. Aber ist solch ein Fachgeschäft mit ebenso fachlich firmer Beratung gerade in Salzburg so ohne weiteres verzichtbar?
Jetzt wären wohl Stadt und Land, auch wenn letzteres zunehmend mehr und mehr an kulturellen ‚Events‘ interessiert ist, aufgerufen, entsprechende Subventionen locker zu machen! Denn die ‚Mayrische‘ ist eine hochkulturelle Institution und eben nicht einfach verzichtbar.
Wolfgang Danzmayr, ehem. ORF S-Musik- und Kulturleiter, Autor, Dirigent & Komponist

26/08/20 Die augenblickliche, wirtschaftliche Situation über Nacht ist das eine, das legt sich wieder. Die kulturell, historische verpflichtende Notwendigkeit ist das andere. Man sollte sich das Sortiment überlegen um dem kulturell gebildeten Tourismus eine Anlaufstelle zu bieten.
In Salzburg wird jeder Schas subventioniert, warum nicht ein Buchhandlungs-Museum? Könnte mir auch alte, neu aufgelegte Schallplatten vorstellen. Es gibt wieder Liebhaber.
Es gibt in Salzburg noch eine sehr alte Buchhandlung, die anscheinend neu übernommen wurde. Da ich mit dem Betreiber nicht Kontakt habe, will ich mich dazu nicht weiter äußern oder einmischen. Fachliches Potential ist ausreichend vorhanden, auch ungenutzte Räume. Die "Mayrische" betreibt auch eine Internetverkaufsplatform, geht ja heute auch nicht mehr anders. Auch da könnte ein eventuell neues Sortiment verkauft werden.
Robert Hutya