Gondel, Bierpfandflaschen und Hitzestau

RAURISER LITERATURTAGE

09/04/10 Tag zwei der Rauriser Literaturtage, in Bergeshöhen zuerst. Während manche sportliche Geister die Heimalm zu Fuß erklimmen, schlittern andere mit ihrem schlechten Schuhwerk unsicher über das kurze Stück schmelzenden Schnees, das zwischen Gondel und Wirtshaus liegt.

Von Magdalena Stieb und Lea Müller

Draußen strahlt die Sonne am stahlblauen Himmel. Vereinzelte trotzen leichtbekleidet mit den Schiern dem Frühling, während sich im Innern des Gasthauses bereits die Wärme der Literaturfreunde im Gebälk staut. Viele stehen zwischen den Tischen, andere nehmen auf der Treppe Platz. Man ahnt schon vor Beginn, dass der Sauerstoff auch dieses Mal knapp werden wird.

Die Musikgruppe Quadrophonie (an der Klarinette der auch als Musiker hoch engagierte Germanistik-Fachbereichsleiter Karl Müller), die den ganzen Nachmittag musikalisch untermalt, spielt für das anstehende Jubiläum der ersten Marktschreiberin von Rauris ein Geburtstagsständchen. Catarina Carsten beginnt ihre Lesung mit der Geschichte über die Herren Charon und Jeder. Die elegante Dame, die mittlerweile etwa fünfhundert Gedichte in vier Sprachen nicht auswendig, nein, „par coeur“ kennt, schafft es mit ihrer wunderbaren Stimme, das ganze Haus andächtig verstummen zu lassen. Selbst das stete leise Klirren aus der Küche, das an diesem Nachmittag teils auch störend interagiert, geht schließlich ganz unter in der Wirkung der berührenden Gedichte aus dem Rück- und Gegenwartsblick auf „sechzig Jahre glücklicher Zweisamkeit“ und deren schmerzlicher Verlust. Eines der schönsten Gedichte ist „Das Märchen“; gleichsam märchenhaft, wenn auch mit ungleichem Schmerz, fühlte sich wohl manch einer in diesen Minuten des Zuhörens geborgen.

Die folgende Laudatio von Evelyn Polt-Heinzl rollt dem Innsbrucker Studenten und diesjährigen Förderungsträger den roten Teppich aus, Martin Fritz betritt ihn - seiner anfänglichen Rauris-jungfräulichen Nervosität trotzend - mit kessen oder dandyhaftem Schnurrbart und der Schlagfertigkeit, die in die bereits stickige und stehende Luft im ersten Stock Regung bringt. Regung vor allem an den Tischen der Studenten, die sich unmittelbar in das „Hier und Jetzt“ des Textes versetzt fühlen und dies mit verstehendem Gelächter quittieren. Fritz‘ rasantes Vortragstempo erzeugt einen Sog, der das ganze Publikum mitreißt: scheinbar unendlich lange Namenslisten, „Rückgabedings“ für Pfandflaschen als Indikator gesellschaftlicher Subpression und der Kaffeeautomat am Gang der Uni als Ort der Wahrheitsfindung – Popliteratur in Reinkultur.

Am Ende des Programmes auf der Heimalm liest „das dreiblättrige Kleeblatt“, wie Brita Steinwendtner die ehemaligen Förderungspreisträger Gudrun Seidenauer, Wolfgang Wenger und Christoph Janacs nennt, die ob ihrer jahrelangen engen Freundschaft bewusst zu dritt eingeladen wurden. Auch deshalb stellen sich die drei gerne gegenseitig vor. Es wurde eine abwechslungsreiche Mischung aus Lyrik und Prosa geboten, aber leider hatte die Konzentration von Seiten des Publikums bereits aufgrund der immer mehr ansteigenden Hitze stark abgenommen.

Der Schlusspunkt des Tages bietet schliesslich im Rauriserhof, die erheiternde Medienmitternacht von Antonio Fian. Das Publikum hat sich gelichtet, entsprechend angenehm diesmal die Luft. Nebst jeglichen Verdankungen, so auch an den in diesen Tagen überall präsenten und allseits hochgelobten Buchhändler Klaus Seufer-Wasserthal, liest schließlich Fian aus seinen Texten. Seine Dramolette wirken durchweg kabarettistisch. Die Krönung bildet aber ganz klar „Ein Telefongespräch“. dessen Rezitation das Publikum derart amüsiert, dass es dem Schriftsteller selbst ein herzhaftes Lachen entlockt.

Am heutigen Freitagvormittag (9.4.)  standen Katja Lange-Müller, Hans Höller und - stellvertretend für den erkrankten Adolf Muschg - Andreas Breitenstein (NZZ) im Gespräch um vierzig Jahre deutschsprachige Literatur. Das angekündigte „Gespräch“ stellte sich zwar als Vortragsreihe dar, bot aber einerseits objektive, andererseits national geprägte wie persönliche Rück-.und Ausblicke in der „deutschsprachigen“ Literatur. Zum Abschluss präsentierten die drei Universitäten Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt mit unterschiedlichen Darbietungen ihre Perspektive zum Thema.

Von den Rauriser Literaturtagen berichtet für den DrehPunktKultur auch heuer wieder ein Gruppe von Studierenden des Fachbereichs Germanistik der Universität Salzburg: Lea Müller, Magdalena Stieb, Eva Müller, Alexander Macho und Benjamin Philippi nehmen teil an der Lehrveranstaltung „Literaturbetrieb und literarisches Leben (Rauriser Literaturtage)“ unter der Leitung von Christa Gürtler.
Zum aktuellen Programm: www.rauriser-literaturtage.at