Ein Gastwirt mit Zivilcourage
HINTERGRUND / ORTE DES GEDENKENS
08/07/21 Widerstandskämpfer hat es an vielen Orten gegeben. In Salzburg hat sich eine Arbeitsgemeinschaft Orte des Gedenkens gebildet, um an sie zu erinnern und regionale Initiativen bekannt zu machen. Das Land Salzburg wird in jedem Bezirk einen Gedenkort einrichten. In Neumarkt macht man den Anfang.
Das Bild rechts ist ein rares Zeitzeugnis. Es zeigt Georg Rinnerthaler bei seiner Verhaftung am 12. März 1938 in Neumarkt. Der Gasthausbesitzer war schon 1934 zum Ziel von NS-Anschlägen geworden. Er hatte sich ordentlich unbeliebt gemacht bei den Nazi-Sympathisanten und -Mitläufern. Georg Rinnerthaler und sein Sohn Johann wurden nach dem „Anschluss“ ein Jahr lang im KZ Dachau interniert.
„Rinnerthaler war schon in der Zeit des Austrofaschismus politisch aktiv“, erläutert der Historiker Albert Lichtblau. „Die Personen, die mit ihm Schwierigkeiten hatten, wollten in der Nazi-Zeit Rache üben. Er hielt dagegen.“ Seine Rolle zeige, wie breit gefächert Widerständigkeit war. Rinnerthaler passte nicht in eine bestimmte ideologische Richtung des Widerstands, etwa besonders links oder katholisch. „Er ist einer jener, die überzeugt waren, dass dieses Regime und die nationalsozialistische Ideologie in seinen Grundsätzen nichts Gutes waren. Von dieser Meinung ließ er sich auch nicht abbringen“, ergänzt der Zeithistoriker Robert Obermair.
Obermair und Lichtblau gehören, so wie die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder, der Arbeitsgemeinschaft Orte des Gedenkens an. Da es bereits viele Projekte der Erinnerungskultur geballt in der Landeshauptstadt gibt, nimmt man potentielle Gedenkorte in den Bezirken in den Blick. „Es ist alles immer sehr zentriert auf das städtische Leben, aber es gibt wichtige regionale Initiativen“, sagt Albert Lichtblau. „Es ist wichtig sie wahrzunehmen und uns auch gegenseitig zu unterstützen und zu befruchten.“ Als erstes arbeitet man eng mit dem Museum Fronfeste und der Gemeinde Neumarkt zusammen. Auch künftige Gedenkorte sollen jeweils gemeinsam mit regional verankerten Initiativen umgesetzt werden. Neben den künstlerisch gestalteten Erinnerungsorten werden die Biografien der Betroffenen und die verschiedenen Formen des Widerstands historisch aufgearbeitet und mit einem Vermittlungsprogramm für Schüler begleitet.
Konkret in Neumarkt: Da wurden acht Künstlerinnen und Künstler zum Wettbewerb für ein Mahnmal eingeladen. Ein möglicher Aufstellungsort wäre der Platz vor der Kirche, wo auch das Kriegerdenkmahl steht. Der Wettbewerb – das Siegerprojekt soll im Herbst 2021 bekanntgegeben werden – wird von der Geschäftsstelle des Fonds zur Förderung von „Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“ ausgerichtet. „An erster Stelle steht die künstlerische Qualität in Hinsicht auf eine zeitgemäße Annäherung an Erinnerungskulturen, deren inhaltliche Dimension, Überzeugungskraft und Stimmigkeit“, erklärt die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder.
Das pädagogische Begleitprogramm soll im Frühling 2022 starten. „Im Unterricht findet der Nationalsozialismus oft als etwas Abgekapseltes statt. Viele haben das Bild von Mauthausen, der abgeschiedenen Festung, wo diese Gräuel passiert sind, vor sich. Man kann sich schwer vorstellen, dass auch in kleinen Orten und Gemeinschaften die Auswüchse des Nationalsozialismus sichtbar sind. So Robert Obermair, der auch Koordinator von erinnern.at in Salzburg ist. Die Workshops sollen zeigen, dass auch durchaus in kleinen Gemeinden Menschen andere Menschen ausgegrenzt, angezeigt und angegriffen haben. Und eben solche, die mit Zivilcourage dagegen aufgetreten sind.
Im konkreten Fall also der Neumarkter Gastwirt Georg Rinnerthaler. Er saß mit Leopold Figl, dem späteren österreichischen Bundeskanzler, im KZ Dachau. Die Bilder von der Verhaftung Rinnerthalers und jenes, das ihn mit Figl zeigt, gehören dem Enkel Hans-Jörg Rinnerthaler. Er hat sie dem Museum Fronfeste für eine Ausstellung zur Verfügung gestellt. (Orte des Gedenkens/dpk)