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Die ist doch meschugge!

HINTERGRUND / SALZBURGER ADVENTSINGEN

07/12/21 „Schalom“ – „Griaß enk!“ So klingt es, wenn einander alpenländische Hirten in einem Salzburger Adventsingen begegnen, das heuer nicht irgendwo inner Gebirg angesiedelt ist, sondern dezidiert im Heiligen Land. Deshalb wird zur Verlobungsfeier von Josef und Maria Hava Nagila gesungen, im Klezmer-Sound.

Von Reinhard Kriechbaum

Woher wir das wissen, wo doch das Salzburger Adventsingen abermals wegen eines Corona-Lockdowns abgesagt werden musste? Im Gegensatz zum Vorjahr, da sich die Zusperr-Phase schon weit vor Allerheiligen abzeichnete und das Heimatwerk sein Adventsingen wohlweislich bereits frühzeitig stornierte, hat Lockdown Nummer vier die Großveranstaltung diesmal eiskalt erwischt. Die Produktion war musikalisch und szenisch fixfertig. Man hat sie in Bild und Ton festgehalten, als man das Publikum kurz vor der Premiere für heuer ausladen musste.

Auf die Bühnenbegegnung wird man also bis zum nächsten Dezember warten müssen, aber weil's ja ein Jubiläums-Adventsingen geworden wäre (75 Jahre), hat man nun aus dem vorhandenen Material ein Medienpaket geschnürt. „Da das Team schon fast die ganze Probenphase absolviert hatte und die Premiere bevorstand, haben wir versucht, für alle Beteiligten und unser treues Publikum das Beste aus der Situation zu machen“, so Köhl. Er ist seit zwei Jahrzehnten Gesamtleiter der Großveranstaltung.

Die Doppel-CD wird schon seit anderthalb Wochen verkauft. Am Marienfeiertag (8.12.) wird das Adventsingen in Radio Salzburg ausgestrahlt. Auch Servus TV hat es mitgeschnitten und wird es am 11. Dezember senden. Leicht gekürzt, wie es heißt. „Eine Gesamtaufnahme vom Jubiläums-Adventsingen in der Spieldauer von 1:35 Stunden wird demnächst – wir hoffen, noch vor Weihnachten – auch als DVD erhältlich sein“, kündigt Hans Köhl vom Salzburger Heimatwerk in einer Presseaussendung an.

Wir haben in die Doppel-CD hineingehört. Seit Jahren teilen sich Klemens Vereno und Shane Woodborne die Kompositionsarbeit. Beide haben eine sehr charakteristische Handschrift. Diesmal war Shane Woodborne dran. Im Gegensatz zu Vereno, dessen Sätze und Neukompositionen eher auf herbere Kontraste zur Volksmusik zielen, bevorzugt Woodborne eine deutlich jovialere, melodienselige Sprache. Ein bisserl viel Schmalz, mögen Puristen einwenden. Aber es hat auch seinen Reiz, wenn es gelegentlich unverhohlen lloyd-webbert. Auf eine recht süffige Verkündigungsszene folgt beispielsweise als zünftige alpenländische Saitenmusik ein Stück mit Titel „Maitanz-Walzer“. Alle Neukompositionen von Shane Woodborne fußen auf Bibeltexten, von den Psalmen über das Hohelied bis zu Jesaja und und Saccharija. Waren auch gute Musical-Librettisten, die hellsichtigen Propheten und König David („Ein ganz G'scheiter“, befindet ein Hirte).

Eva Schinwald (Maria) und Elisabeth Eder (Engel) sind zwei Soprane, die sich hören lassen können. Bernhard Teufl, auf die Rolle des Josef abonniert, ist ein nicht minder beweglicher Tenor. Aus ihnen und dem Salzburger Volksliedchor – und natürlich aus den Instrumentalgruppen – formt Herbert Böck ein stimmiges Ganzes, auch dann, wenn die Reise nicht in ein alpenländisches Bethlehem, sondern gen Broadway führt. Woodbornes Satz-Raffinement kommt gut heraus.

Hans Köhl, der immer die Texte schreibt, schickt diesmal auch einen Rabbi mit drei Hirten auf den kurzen Weg in die nahe christliche Erlösungs-Zukunft. Der Rabbi kann sich nur wundern, dass sich da plötzlich eine Hochzeit mit einer bereits Schwangeren anbahnt. Ist Josef oder der heilige Geist über die Tempeljungfrau gekommen? „Mein Herz ist wie ein reifer Granatapfel“ – Marias kryptische Erklärung irritiert nicht nur Josef. Ein Hirt sagt unumwunden: „Die ist doch meschugge!“ Aber wenigstens gibt Josef nichts auf Fake News und versichert: „Was die Leute so reden, ist doch alles nur Schmus.“

Aktuelle Anspielungen? Josef wird als „Fremder“ eingeführt, und einmal fällt sogar das Wort „Quarantäne“. Die sucht, wie wir staunend vernehmen, der heilige Joachim (der Vater der Maria), in der Wüste. Er will dort wegen des so lange ausbleibenden Nachwuchses in sich gehen. Nicht wegen Corona.

Die Radio- und Fernsehtermine: 8. Dezember, 20.05 Uhr, ORF Radio Salzburg; 11. Dezember, 18.05 Uhr, Servus TV
Die Doppel-CD vom Jubiläums-Adventsingen und bald auch die DVD gibt’s beim Salzburger Heimatwerk im Web-Shop – www.salzburgerheimatwerk.at
Bilder: Salzburger Heimatwerk / Franz Neumayr

 

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