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Wozu der Mensch fähig ist...

IM KINO / HASENJAGD

14/02/25 Als der Film von Andreas Gruber 1994 in die Kinos kam und beim Filmfestival Diagonale, das damals noch in Salzburg stattfand, den Publikumspreis einheimste, war man noch nicht so weit fortgeschritten in der Aufarbeitung Nazi-Vergangenheit. Die Mühlviertler Hasenjagd war eher nur Zeithistorikern ein Begriff.

Im Februar 1945, also vor achtzig Jahren, gelang 150 von fünfhundert sowjetischen Häftlingen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen auf ihre Hinrichtung warteten, die Flucht aus dem Konzentrationslager Mauthausen. In der Nacht zum 3. Februar 1945 erteilte der Lagerkommandant Ziereis der Bevölkerung der umliegenden Dörfer den Befehl, sich an der Suche nach den Flüchtlingen zu beteiligen. Im Morgengrauen brach eine Menschenjagd aus, die Entkommenen wurden auf brutale Weise getötet. Nur wenige hatten das große Glück, von Einheimischen versteckt zu werden. Die Menschenhatz überlebten nach heutigem Wissensstand nur neun der Geflohenen – so die Film-Protagonisten Michail und Nikolai.

Anna Hackl, die einzige derzeit noch lebende Zeitzeugin dieser tragischen Ereignisse, spracht unlängst in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin profil aus, was auch nach acht Jahrzehnten sprachlos macht: „Schrecklich und schade war, dass die Zivilbevölkerung bei der Menschenjagd derart mitgemacht hat.“ Für den 1954 geborenen, aus Oberösterreich stammenden Filmemacher Andreas Gruber lieferte genau dieser Umstand den Titel zu dem Film Hasenjagd – Aus lauter Feigheit kannten sie kein Erbarmen.

Der Regisseur über seine Motivation, den Film zu drehen: „Wozu ist der Mensch fähig, im Guten wie im Bösen? Gerade die historischen Ereignisse der Mühlviertler Hasenjagd zeigen exemplarisch, dass der Mensch in ein und derselben, extremen Situation in der Lage ist, völlig unterschiedlich zu reagieren. Gerade diese verschiedenen Reaktionsweisen und Entscheidungen einander gegenüberzustellen und als Bandbreite menschlicher Möglichkeiten erkennbar werden zu lassen, darum geht es in diesem Film.“

„Der Herr lässt uns die Freiheit und wir liefern den Beweis, wozu der Mensch fähig ist, im Guten wie im Bösen. Macht es nicht den Menschen aus, dass er fähig ist, mit seinem Nächsten mitzuleiden, ist es allein die Feigheit, die kein Erbarmen zulässt. Ich erkenne viele aus unserer Pfarrei nicht wieder.“ Das sagt im Film der Ortspfarrer. Die Bewohner im Umland Mauthausens wollten darauf nicht hören.

Der Spielfilm hat auch nach drei Jahrzehnten nichts an seiner Wirkmächtigkeit verloren hat und ist – wie auch Elisabeth Reicharts Roman Februarschatten aus 1984 – ein wichtiges Beispiel für die künstlerische Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit. In aufrüttelnden Bildern zeigt Andreas Gruber das unmenschliche Abschlachten von Menschen, aber eben auch, wie anders die Bauernfamilie Karner damals reagiert hat. Auf ihrem Hof versteckten sich die beiden jungen Russen Michail und Nikolai. Als sie im Heu entdeckt wurden, zeigten die Bauersleute Zivilcourage und lieferten sie den SS-Schergen nicht aus. Auch Sohn Fredl, der mit einem der Suchtrupps unterwegs war und sich geweigert hatte, einen der geflohenen Delinquenten zu erschießen, musste sich schließlich gemeinsam mit Michail und Nikolai auf dem Dachboden des Bauernhofes verstecken. Das Kriegsende war nicht ferne, das waghalsige Unternehmen gelang. Als Andreas Gruber den Film drehte, lebten die damals Geretteten noch in Russland.

Im Film folgt nach dem Abspann noch eine Szene. In einem Gerichtssaal spricht der Richter das Urteil über den vormaligen NS-Ortsgruppenleiter der Ortschaft, nach dem Krieg Bürgermeister des Ortes, dessen männliche Bevölkerung an der Hasenjagd teilnehmen musste. Er ist angeklagt, die Bürger seines Dorfes zu der Jagd auf die Ausbrecher angespornt zu haben. Freispruch wegen gegensätzlicher Zeugenaussagen, obwohl das Gericht laut Urteilsspruch nicht von seiner Unschuld überzeugt war...

Hasenjagd – Aus lauter Feigheit kannten sie kein Erbarmen wurde national wie international mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet: So gewann er den Spezialpreis der Jury beim Filmfestival San Sebastian 1994, den Deutschen Kritikerpreis 1995 sowie den Österreichischen Filmpreis 1995. Der Streifen wurde nun digital restauriert und wird am kommenden Montag (17.2.) im Salzburger Filmkulturzentrum Das Kino gezeigt. Regisseur Andreas Gruber ist zu Gast, es moderiert Robert Obermair vom Fachbereich Zeitgeschichte an der Universität Salzburg. (Das Kino / dpk-krie)

Hasenjagd. Film & Gespräch Montag (17.2.) 19.30 Uhr Das Kino – www.daskino.at
Bilder: Das Kino / Provinzfilm

 

 

 

 

 

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