Eine „Brennpunktschule“ in der Pampa von Mexico

DAS KINO / LATEINAMERIKA FILMFESTIVAL

06/03/24 Das Lateinamerika Filmfestival ist ein echter Quotenbringen fürs Salzburger Filmkulturzentrum Das Kino. Es wurde 1996 das erste Mal veranstaltet und findet heuer zum 15. Mal statt, von 7. bis 18. März. Mexico ist das Schwerpunktland und es gibt erstmals einen Jugendjury-Preis.

27 aktuelle Spiel- und Dokumentarfilme aus zehn lateinamerikanischen Ländern bieten neue Perspektiven, spannende Einblicke und auch kritische Zugänge. In einigen Filmen geht es beispielsweise um indigene Lebenswelten und um Widerstand. Schwerpunktland ist diesmal Mexiko. Von dort kommt der Eröffnungsfilm Radical – eine Klasse für sich von Christopher Zalla, eine Österreich-Premiere.

Was für eine Gruppe von Menschen! Die zwölfjährige Paloma und ihr Vater leben davon, Müll zu sammeln. Nico arbeitet mit seinem älteren Bruder für die Narcos (so nennt man dort die Dealer und Drogenhändler). Lupe wiederum muss sich um ihre jüngeren Geschwister kümmern, weil ihre Eltern keine Zeit dafür haben. Der Alltag der drei ist geprägt von Angst und Gewalt. Sie besuchen die Grundschule „José Urbina López“ in Matamoros – vielleicht würde man hierzulande „Brennpunktschule“ dazu sagen. Jedenfalls eine verrufene Schule.

Der Schulbeginn hält für die drei eine Überraschung bereit: den Klassenvorstand Sergio. Der passionierte Lehrer wählt einen besonderen Weg, um seine Schützlinge aus der Perspektivenlosigkeit zu befreien. Mit Einfühlungsvermögen und Kreativität schafft er es, die Zuneigung der Kinder zu gewinnen und ihnen spielerisch Wissen zu vermitteln. Im Lehrerzimmer allerdings stoßen seine unkonventionellen Unterrichtsmethoden auf wenig Akzeptanz.

Regisseur Christopher Zalla hat die wahre, inspirierende Geschichte von Sergio Juárez Correa verfilmt, der nach wie vor als Lehrer in Matamoros unterrichtet. Humorvoll und ehrlich vermittelt der Film, wie viel unentdecktes Potenzial in Kindern schlummern kann. An der Seite seiner grandiosen jugendlichen Laiendarsteller verkörpert Latino-Schauspielstar Eugenio Derbez den motivierten Lehrer mit Leib und Seele. Der bewegende Film über einen engagierten Lehrer im Norden Mexikos, der seine Schülerinnen und Schülern gibt, feiert am Eröffnungstag des Lateinamerika Festivals seine Österreich-Premiere. Beim Sundance Filmfestival in Salt Lake City hat der Streifen im Vorjahr den Publikumspreis bekommen.

Erstmals wird im Rahmen des Festivals neben den Publikumspreisen für Spiel- und Dokumentarfilm auch ein Jugendjury-Preis vergeben. In Kooperation mit der entwicklungspolitischen NGO Südwind haben Filmbegeisterte zwischen 15 und 20 Jahren die Möglichkeit, den besten Film in der Kategorie „Jugend“ zu prämiieren. Die Auszeichnung ist mit 1.000 Euro dotiert. Die nominierten Filme sind Adolfo, Desperté con un sueño und La hija de todas las rabias.

In der witzigen Liebesgeschichte Adolfo aus Mexiko (Regiew Sofía Auza) begegnen sich die beiden Antihelden Momo und Hugo und geben sich gegenseitig Halt in einer schwierigen Lebensphase. Von der Verwirklichung der eigenen Ziele handelt der semibiografische Film Desperté con un sueño (Argentinien/Uruguay): Felipe brennt fürs Theater und will Schauspieler werden wie sein Vater. Hauptdarsteller Lucas Ferro lieferte die Idee zum Drehbuch in einem Theaterworkshop von Regisseur Pablo Solarz.

In La hija de todas las rabias findet die auf sich allein gestellte Hauptfigur María mithilfe ihrer Wut und ihres Überlebenswillens einen Weg, mit der Abwesenheit ihrer Mutter umzugehen. Das Debüt der Filmemacherin Laura Baumeister aus Nicaragua ist bis jetzt im eigenen Land noch nie gezeigt worden und vermittelt eindrücklich die Situation vieler Jugendlicher, die dort in Armut leben. Die Abwesenheit der Eltern, vor allem der Väter, ist ein Thema, das nicht nur die drei Filme im Wettbewerb verbindet. Über die nominierten Filme hinaus widmet sich ein Teil des Festivalprogramms bewusst den Träumen, Erfahrungen und Sorgen von Kindern und Jugendlichen in Lateinamerika.

Das zwölftägige Festival wächst auch außerhalb von Salzburg. „Neben unseren langjährigen Partnern Filmcasino Wien, dem Oval im Europark und dem Zentrum in Radstadt konnten wir auch das KIZRoyal in Graz, das Moviemento in Linz, das Cinema Paradiso in St. Pölten & Baden sowie das Volkskino in Klagenfurt für eine Kooperation gewinnen“, freut sich Das Kino-Leiterin Renate Wurm. Sie und Sigrid Gruber machen gemeinsam mit Richard Pirngruber vom Lateinamerika-Komitee das Programm. „Am Anfang steht meist die Befürchtung, dass wir zu wenig sehr gute Filme finden und wir das Programm mit zahlreichen Wiederholungen 'auffrisieren' müssen“, plaudern sie aus dem Nähkästchen. „Der Prozess endet jedoch dann damit, dass wir für all die filmischen Höhepunkte nicht genug Platz haben.“ Wichtig auch: „Rund die Hälfte des Programms trägt eine weibliche Regiehandschrift.“ (Das Kino / dpk-krie)

Lateinamerika-Filmfestival, von 7. bis 18. März im das Kino – Download Programmheft  – www.daskino.at
Bilder: Das Kino / Filmladen / Ascot Elite